Von Männern und Bären

Es ging da auf Social Media gerade eine Umfrage rum: „Würdest du im Wald lieber einem Mann oder einem Bären begegnen. und sie ärgert mich. Sie ärgert mich samt ihrer Antworten sehr.

Warum?

CN Überfall, Vergewaltigung, Gefahren im Wald

Es ist ein übersteigertes Beispiel, das für den Effekt gewählt wurde. Ich verstehe den Zweck dahinter. Es ist nur unter anderem genau deswegen gruselig ungeeignet.

Mit am meisten stört mich dabei das hier: Wie viele Leute haben sinngemäß geschrieben: Die Zahlen der Bärenangriffe sind deutlich geringer als die Zahlen der Männerangriffe.

Ja schon, ABER: (alles vor dem Aber ist irrelevant, wir erinnern uns?)
Die Zahlen der Bärenbegegnungen sind halt auch deutlich geringer als die Zahlen der Männerbegegnungen. Du kannst nicht einfach sagen: Männerbegegnungen führen zu Anzahl X Überfällen, Bärenbegegnungen zu Anzahl Y, daher ist die Männerbegegnung gefährlicher. Denn den Bären musst du erst mal finden. Und wenn von 10 Bärenbegegnungen 3 mit Verletzten enden (rein fiktive Zahl), dann ist der Anteil der Gefahrbären halt doch höher als der Anteil der Gefahrmänner und die Bärenbegegnung, so sie passiert, unterm Strich gefährlicher.

Bei anderen Konzepten wissen die Damen dieses Konzept auch durchaus anzuwenden, aber hier wäre es der Dramatik doch massiv im Weg.

Die Frage “Hättest du mehr Angst davor, einem Bären zu begegnen als einem Mann?” wäre mit “Bär” wohl korrekt beantwortet, denn die Wahrscheinlichkeit, in einer Bärenbegegnung Schaden zu nehmen, ist sehr gering, da die Wahrscheinlichkeit, einem Bären zu begegnen, sehr gering ist. Daher ist eine Angst vor Bärenbegegnungen i.d.R. nicht notwendig. 

Die Frage ist aber so, wie ich sie gestellt gesehen habe: “Würdest du lieber…”

Nun kommen wir dazu, dass eine Bärenbegegnung tatsächlich stattfindet Wir sind hier in Mitteleuropa. Es gibt hier in der Regel keine wilden Bären. Da kann man, wie nun bereits ausgeführt, leicht sagen, „dem Bären“, weil man dem realistisch gar nicht begegnen wird. Ebenso realistisch können die Damen aber auch gar nicht einschätzen, wie gefährlich so ein Bär wäre. Wenn dir hier im Wald entgegen jeder Wahrscheinlichkeit ein Bär gegenübersteht, dann ist das mit höherer Wahrscheinlichkeit ein Problembär als ein Mann der dir dort nicht ganz so unwahrscheinlich gegenübersteht, ein Problemmann ist. Männer im Wald sind da in den meisten Fällen entweder bei der Arbeit, Spazieren, Pilzesuchen oder Ähnliches und wollen auch nur in Ruhe gelassen werden dabei. Wenn ein Wildtier der Art Bär erst schon mal hier im Wald ist und zweitens sich dir zeigt, ist der Bär entweder krank, sehr hungrig oder fehlsozialisiert, weil er mal ein Haustier war. In jedem dieser Fälle ist das scheißgefährlich.

Wenn du in Gebieten bist, in denen es Bären eher gibt, (sagen wir mal, Teile Nordamerikas), und dich in Gegenden aufhältst in denen es sie wild leben, dann weißt du auch, dass du als Nichtinformierte Person, was entsprechendes Verhalten betrifft, unter Umständen ganz schnell ausgeschissen hast, wenn dich so ein Vieh erwischt. Und mit das erste, was du lernst ist: es gibt unterschiedliche Bären, ein Braun- und Schwarzbären haben extrem unterschiedliche Verhaltensweisen und Aggressionspotenziale, was den einen verjagt, bringt den anderen dazu, dich (und sei es aus Versehen) zu erlegen. Bei uns insofern egal, als wir keine Bären im Wald haben. (Wenn nicht grad einer entlaufen ist, siehe oben). Zu sagen „Mir ist das lieber“ wenn ich weiß dass ich diesem Tier sicher nicht begegnen werde, ist einfach.

Besser wäre gewesen, stehe ich lieber einem fremden Mann gegenüber oder einer Wildschweinbache (die Frischlinge haben könnte) (Würde ich übrigens auch den Mann nehmen. Wildschweine sind schwinegefährlich wenn man zwischen denen und ihren Frischlingen steht, und die fragen auch nicht, ob man das absichtlich gemacht hat). Dazu kommt nämlich noch dieses:

Letzter Punkt: SETTING. Ein Problemmann, der auf Zielobjektsuche ist… der geht dafür doch nicht in den Wald. Die Vorstellung, ein Kerl, der auf Frauen belästigen oder vergewaltigen oder sonst was scharf ist, würde sich denken: „HEY! Ich gehe jetzt in den Wald und schaue, ob ich da jemanden finde!“ ist komplett an aller Wahrscheinlichkeit vorbei. Der geht doch dahin, wo er Chancen hat, tatsächlich jemanden aus seiner Zielgruppe zu finden. Das Frauenaufkommen im Wald ist nun aber auch vergleichsweise gering.

Wäre die Frage also gewesen: Wem stehst du lieber unvermittelt gegenüber, wenn du nachts eine Abkürzung durch den finsteren Park nimmst: Mann oder nicht angeleinter großer Hund? DANN nehm‘ ich vielleicht den Hund. Jetzt wird die Frage aber für viele deutlich schwerer zu beantworten, denn nun haben wir für beides eine Situation, die als realistisch gefährlich vorstellbar ist.

Das EINZIGE, was diese Bärenumfrage zuverlässig zeigt ist, das Bären für “uns“ so weit weg sind, dass sie im Grund nicht als potenzielle Gefahr vorstellbar sind.

Selbstbestimmung

Mal schauen… vielleicht habe ich Lust, wieder ein bisschen mehr/öfter zu schreiben. Das ist keine Ankündigung und kein Versprechen, nur ein Gefühl, dass die Richtung dahin gehend könnte.

Hier auf jeden Fall eine Begebenheit von vor ein paar Wochen, von der ich einigen netten Menschen im Internet versprochen habe, dass ich sie genauer als auf Twitter möglich erzähle.

Da keiner von uns durchgängig dabei war, ist das Folgende aus dem Erinnerungsabgleich von drei Personen zusammengesetzt.

Mein Partner (F) und ich waren mal wieder mit einem sehr guten Freund (Langes Elend – DLE) unterwegs, in der etwas lustigen Konstellation, dass wir sowohl Freunde als auch er in dem Moment unser Auftraggeber und Chef ist als auch wir dafür bezahlt werden, ihm in dem Moment im Zweifel die Meinung zu geigen und ansonsten drauf aufzupassen, dass er in einem Stück durch das Wochenende kommt und idealerweise Sonntagabend nicht in schlechterem Zustand ist als Freitagfrüh.

Vage begann das ganze damit, dass wir am ersten Tag im Event saßen, das für uns alles relativ glatt lief, DLE nebenbei ein bisschen einen Kumpel trollte (grundlegend nicht mein Problem, wenn er sagt, der kann das ab, glaube ich das erst mal) und neben den üblichen Ärgernissen, die kaum einer separaten Erwähnung wert sind, mir immer wieder eines auffiel: Zwischen einem der anderen Gäste (G) und seiner Assistenz schien es mir nicht zu passen.

Da fängt es für mich jetzt an, anstrengend zu werden, wenn ich mir durchweg sagen muss: Nicht meine Baustelle…

In aller Regel sind wir für ein komplettes Event als PAs (Personal Assistants) angeheuert und ich sitze irgendwo zwischen Teammanagement und Teamleitung, auf jeden Fall so, dass es mein Job wäre, in dem Fall mal eben rüberzugehen und zu fragen, ob alles OK ist, oder ob wir neu zuteilen müssen. Hab‘ ich schon gemacht.
In diesem Fall aber gehören wir nicht zum Event-Betrieb, wir sind NUR die privaten PAs von DLE, die der mitgebracht hat, weil er dem vom Veranstalter gestellten Personal aus Gründen nicht traut – und da geht es mich grundlegend nichts an, und mitten im Event unkontrolliert in den Ablauf eingreifen ist nicht so DIE tolle Idee. Also ist Zusammenreißen angesagt – Gerade mit Blick darauf, dass G. nach Schlaganfall körperlich doch etwas stärker eingeschränkt ist und aus Gründen an diesem Wochenende seinen Rollstuhl auch nur sehr bedingt selbst unter Kontrolle hatte und sich auf die Kooperation seiner „PA“ verlassen musste, war ich ein paarmal doch drauf und dran, aufzustehen und rüberzugehen – das ist so grad die Situation, in der es einfach passen MUSS, und wenn ich dafür verantwortlich bin, dass jede*r einen Menschen an seiner*ihrer Seite hat, mit dem er*sie entspannt arbeiten kann, wäre das eine Situation, auf die ich besonders ein Auge halten würde, *wenn ich dafür zuständig wäre*. So zwinge ich mich erst mal dazu, mich drauf zu verlassen, dass G. alleine groß ist und das schon geregelt bekommen wird, bzw. wäre meine erste Erwartung ohnehin, dass auch der seine eigenen Begleiter dabeihat. Und wenn ich so ganz ehrlich bin – der Umgang zwischen uns und DLE ist von außen betrachtet auch nicht immer SO professionell wie er sein sollte und wurde auch schon von Veranstaltern moniert (unnötig, aber der Veranstalter kann ja im Grund nicht wissen, dass wir, wenn wir nicht zusammen arbeiten, mehr so auf der Ebene Found-Family-Adoptivgeschwister agieren, und die Umgangsformen bei uns entsprechend immer etwas, äh, flapsiger sind als sie das mit jedem anderen professionell sein müssten).

Nun war unser Plan bereits zuvor, uns an dem Abend noch mit dem vormals getrollten Kumpel (K) von DLE und wenigstens einem örtlichen Freund von diesem (der Basti) irgendwo in eine vom Basti gewählte Kneipe zu setzen und uns ‘nen schönen Abend zu machen. K. hatte nun die Idee, „The more the merrier“, wir fragen beim Dinner mal rum, wer noch mitgehen mag. Okay.

Event für den Tag zu Ende, es gibt die Option, entweder selbst was zu essen zu jagen oder zum großen organisierten Abendessen zu gehen. Wir drei gehen also mit K. dorthin und setzen uns an einen großen Tisch mit Ks Kollegen, die ganz schnell mitteilen, dass sie natürlich auch mitgehen. Irgendwann kommt G. samt „PA“ rein und die beiden steuern einen kleinen Tisch seitlich an, wo sie alleine sitzen. Wir drei schauen uns an, wir finden das seltsam, aber… Baustelle und so. Er wird schon was sagen, wenn es ihm nicht passt, oder?

K. fragt dann einmal laut rum, wer mitgehen möchte – Neben seinen Kollegen  meldet sich ein weiteres Paar und – G. Dessen „PA“ umgehend „nein“ zu gestikulieren scheint. Immer noch nicht unser Problem, wir nicken rüber, kurzes mentales Abgehen von Punkten wie: Brauchen wir ein zusätzliches Auto, weil im Kombi nachher nicht mehr genug Platz ist, wo stellen wir das Auto zum Einsteigen hin, K. schreib mal schnell ‘ne SMS an den Basti und stell sicher, dass die Kneipe zugänglich ist, wenn nein, bitte andere Kneipe, danke.

Essen neigt sich dem Ende, es sitzen eigentlich alle nur noch da und quatschen, wir beschließen: Es geht jetzt jeder nochmal aufs Klo und dann geht’s los. Also so… in 20 Minuten vielleicht. G. sitzt zu diesem Zeitpunkt alleine an seinem Tisch. F. geht rüber, um Bescheid zu geben, 20 Min. Kommt zurück und sagte er meinte jetzt er will doch nicht, aber es käme ihm seltsam vor und kann mal bitte einer von uns nochmal anfragen (Das ganze findet hier auf Englisch statt. F. spricht ausreichend gut Englisch aber halt nicht muttersprachlich und ist sich seiner Sprachkünste nicht immer so sicher.)

Nun geht also aus Gründen DLE rüber, fragt nochmal nach, halb vermutend, dass G. einfach fertig ist nach dem Tag – ist er nicht, eher erheitert darüber, wie fertig manche der jungen Teilnehmer (G. ist einer der ältesten Menschen im Raum) nach dem bisschen Event sind. DLE fragt, ob er etwa keine Lust hätte, mit uns „Jungen“ auszugehen. G. meint nee, natürlich nicht. DLE verspricht, einfach die Schnauze zu halten und zu gehen, wenn G. das möchte, merkt aber an, dass er nicht ganz versteht, warum er sich umentschieden hat, wenn ihn die Gesellschaft nicht stört und er nicht müde ist. G. meint etwas augenrollend, es sei doch normalerweise so üblich, dass er gefragt wird, ob er mitwill, aber quasi unter der Hand schon vorausgesetzt wird, dass er anständigerweise „Nein“ sagt, sodass niemand das Gefühl haben muss ihn auszuschließen und er trotzdem nicht im Weg ist, und dass er ja vorhin schon gar nicht hätte „Ja“ sagen sollen.

DLE winkt uns rüber, wiederholt das kurz. Wir stellen fest, dass wir, wenn wir Free-for-All einladen, auch genau das meinen, und G. absolut willkommen ist, wenn er möchte. Ich merke eventuell etwas ungeduldig an, dass ich eigentlich nur wissen will, ob ich das Auto jetzt VORS Haus fahre (schnell einsteigen) oder hinters Haus (in Ruhe einsteigen).

G. schaut uns nacheinander mit so einem „Ihr wolltet das nicht anders, jetzt schaut zu, wie ihr da wieder rauskommt“ Blick an und meint „Hinters Haus.“

Die Uhrzeit ist gerade irgendwo zwischen 19:30 und 20:00.

Alle packen zusammen, K. und ich gehen Autos holen.

Derweil kommt drinnen Gs „PA“ wieder, bekommt mit, dass es „Planänderungen“ gegeben hat, und legt los: Dass das auf gar keinen Fall ginge, was er sich da einbildet (und wir uns) und überhaupt, wenn er mit dem Essen fertig sei, sie ihn dann jetzt ins Bett brächte. (Das ganze lautstark vor allen noch Anwesenden).

Äh.

Hier schickt DLE dann F. raus, K. und mir Bescheid geben, es dauert etwas. F. kennt mich allerdings gut genug, um zu sagen, dass ich eventuell wieder reinkommen möchte. K. kommt mit. Wir also alle wieder drin, während DLE und ein Tom maximal im Weg stehen, und G. versucht, mit seiner „PA“ zu diskutieren, die ihm aber ständig das Wort abschneidet (Sprechen normalerweise kein großes Thema, aber schnell ist schwer…).

Und dann schaut die MICH an, weil ich anscheinend aus allen Anwesenden am ehesten so aussehe, als könnte ich auf ihrer Seite sein (oder evtl. auch, weil ich grad die einzige Person in der Runde bin, die sie für sich als „Weiblich“ identifiziert hätte) und sagt: „Sag du mal was!“

Ich habe zu der Situation genau eines zu sagen, und das gerne sehr laut und deutlich: Einen erwachsenen Menschen gegen seinen Willen um 20 Uhr ins Bett zu schicken, weil man das gerade so möchte und kann, geht ja mal gar nicht.

DLE merkt grinsend an, dass er sich freut mich jetzt doch mal richtig sauer gesehen zu haben-.

Ich teile ihm freundlich mit, dass wir uns noch am Anfang der Tonleiter befinden.

„PA“ meint, sie will aber ihren wohlverdienten Feierabend.

K. motzt sie an, dann soll sie halt Feierabend machen, sie sei eh weder eingeladen noch notwendig.

G. weist drauf hin, dass sie leider durchaus notwendig ist, weil er mit etlichen Dingen Hilfe braucht und nachher auch nicht so wirklich alleine ins Bett kommt.

Kurzes gegenseitiges Anschauen, Konsens: Es sind hier genug einspringfähige Personen, wenn du dir nicht von jemand Wildfremdem helfen lassen möchtest, ist das verständlich, falls doch, hättest du Auswahl.

G. merkt an, dass der Großteil hier für ihn deutlich weniger wildfremd ist als die Dame, denn SEINE übliche Begleitung sei ausgefallen und die „PA“ hier dann vom Veranstalter gestellt worden, wohl über einen örtlichen Pflegedienst angeheuert (was dann auch erklärt, warum das im Event alles nicht so recht hatte passen wollen… die hatte von unserem Job keine Ahnung und auf den ihren nur bedingt Lust). Er dann so: Schlimmer kann das mit euch auch nicht werden, versuchen wir das.

„PA“ legt nochmal los, dass sie hier Verantwortung hat usw. und auf keinen Fall nicht-mitgehen könne und—und—und—

Darauf bekam sie dann einmal genau die Ansage, die ich *unseren* Mitarbeitern in so einem Moment gemacht hätte (nur, dass ich unsere dafür mit vor die Tür nehmen würde).

K. dann noch hinterhergeschoben: Komm mit oder bleib da, aber *wir* gehen jetzt.

=> Fast Forward, Pub.

Der Basti wartet schon auf uns, bekommt kurz erklärt, warum wir so lang gebraucht haben; „PA“ ist mitgekommen und tut größtenteils nichts außer im Weg zu sein.

Versuch, zu bestellen, Runde 1: Kellner sehr offenbar nicht glücklich darüber, da einen sichtbar behinderten Gast bedienen zu müssen, das unsägliche „What’s he going to have“ endet mit einem neuen Kellner, der sich in der Lage sieht, Bestellungen ordentlich aufzunehmen. (Mein Geduldsfaden bei solchen Dingen ist eh kurz, und an dem Abend war er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vorhanden). G. bestellt sich wie der Großteil der anderen ein Glas Whiskey. „PA“ fährt sofort dazwischen, dass das nicht ginge und er auf keinen Fall Alkohol bekommt. Laut DLE und F. war mein Gesichtsausdruck in dem Moment sehr deutlich. Ich schaue G. an, er wedelt mit der Hand und meint: „Go on.“

Ich frage die „PA“, ob sie vielleicht mal kurz mit vor die Tür gehen möchte.

Sie braust auf, dass sie das auf keinen Fall macht, und ob ich wohl nicht möchte, dass die anderen mitbekommen, was ich sage.

Na, was ICH sage, wissen die eh (oder können es sich denken), es war eigentlich eine letzte Freundlichkeit ihr gegenüber, nicht vor versammelter Mannschaft runtergeputzt zu werden. Aber BITTE. [Vortrag zu Selbstbestimmung und dazu, wer das Recht hat, Entscheidungen für mündige Menschen zu treffen, und wer NICHT, und dass sie zwar IM Event evtl. Veranstalterregeln auch gegen ihre zu betreuende Person durchsetzen darf, aber hier jetzt gerade nicht im Event ist und damit für G. gerade ausschließlich das gilt, was G. möchte, und sie entweder bei der Ausführung zur Hand gehen kann oder aus dem Weg. Eventuell bekam der arme Kellner, der da immer noch rumstand, auch noch ‘nen nachdrücklichen Hinweis darauf ab, dass serviert wird, was bestellt ist. Eventuell unnötig. Sorry. Und ja, das ist vollkommen unabhängig davon ob *ich* meine, dass Alkohol notwendig ist oder nicht.] (Für G. war das der letzte Event-Tag, d.h. Risiko, dass er das am Folgetag noch hätte ausbaden müssen, bestand nicht. Wäre das anders gewesen, hätte man leider in der Tat drüber nachdenken müssen, das etwas diplomatischer zu handhaben.)

Sie rauschte dann türenknallend ab und stand eine gute halbe Stunde später mit einem aus der Orga wieder da, der meinte, MIR eine Ansage machen zu können… und im Gegenzug eine detaillierte Aufschlüsselung vorgehalten bekam, was genau das lief, ob er wirklich sagen möchte, es sei OK, einen erwachsenen Menschen gegen dessen Wunsch um 8 ins Bett zu schicken oder ihm das Getränk vorschreiben zu wollen, etc. (G. wies nochmal drauf hin, dass er schon bestätigt hätte, dass sie gerne Feierabend machen darf und in keiner Weise verpflichtet war, hier mit abzuhängen). Darauf nahm Orga-Mensch die Dame nochmal mit vor die Tür. Sie kam tatsächlich danach wieder rein, setzte sich aber an einen anderen Tisch und verbrachte die nächsten Stunden damit, uns finster anzuschauen. *seufz*.

Und das, was mich an diesem ganzen Abend am meisten wurmt ist, dass G. irgendwann meinte, das sei nun seit bestimmt 10 Jahren das erste Mal, dass er einfach nur ohne da aus Arbeitsgründen sein zu müssen, in einer Kneipe sitzt und sich unterhält und Spaß hat. (Das ganze ging noch ein bisschen weiter, aber soweit das, was ich zu erzählen versprochen hatte).

Fremde im TV

Ich sehe echt nicht viel fern. Also eigentlich gar nicht. Schon deswegen nicht, weil ich es nicht für nötig gehalten habe, ein Kabel-Kabel in die Wohnung zu legen, die Satellitenschüssel abgeklemmt habe, und die Magenta-Box seit Lieferung in der Schachtel verstaubt.

Obwohl ich eine ganz ordentliche Anzahl an DVDs habe, laufen hier auch selten Filme. Das hat diverse Gründe, aber ein nicht zu unterschätzender ist der, dass es sehr anstrengend ist, einer Handlung zu folgen, wenn man nicht weiß, wer gerade im Bild ist.

Es gibt ja diese tolle Facebookfunktion, die erraten will, wer auf den Fotos ist.

Die hätte ich bitte künftig gerne im Fernseher fest eingebaut, sodass mir angesagt wird, wer was macht! Noch besser wäre, wenn mir das irgendwie direkt in die Brille projiziert werden könnte… Das wäre mal eine technische Spielerei, die ich voll unterstützen würde.

Die letzte Fernsehserie, die ich einigermaßen entspannt geschaut habe, war Shadowhunters. Da waren relativ wenige Figuren, die ich nicht auseinanderhalten konnte. Die Shadowhunters im Zweifel gut an ihren sichtbaren Runen zu identifzieren, Magnus Bane ohnehin, der Rest zum Glück ausreichend vielseitig in der Optik, dass die Zuordnung recht gut geht…

Good Omens habe ich letztes Jahr angeschaut, wobei die begrenzte Figurenanzahl und jahrelange Vertrautheit mit dem Material sehr hilfreich war.

Dann habe ich dieses Jahr The Handmaid’s Tale weggeatmet. Das war zuerst echt anstrengend, da mir durch die Farbcodierung mit Ausnahme einer einzigen „Handmaid“ zunächst mal nur die Zuordnung der Figuren zu ihrer jeweiligen „Kaste“ möglich war. Irgendwann fand ich heraus, dass ich in A*Prime Videos quasi als Overlay einblenden lassen kann, wer jeweils gerade in der Szene ist. Das half ungemein. Die letzte Staffel ging nur von DVD, dort setzte dann das Ratespiel wieder ein.

Ich habe diese Woche – wie es dazu kam, werde ich später mal erzählen – eine meiner eigenen ungeschriebenen Regeln gebrochen.

Ich bin nun im Marvel-Universum angekommen. Danke, Stephen, hab‘ ich voll gebraucht (offensichtlich).

Schuld daran ist eine Gruppe lieber Freunde, die vielleicht ein winziges bisschen zu genau wissen, wie ich ticke… oder einfach zufällig den richtigen „Knopf“ gedrückt haben.

Naja… in jedem Fall starte ich gerade einen Versuch, Avengers: Endgame anzusehen, und das nur minimal mit Vorwissen belastet. Was eventuell ohnehin kompliziert würde, macht die Gesichtsblindheit noch extra interessant.

Ich erkenne Menschen – an Kleidung, gelegentlich Frisur, Stimme, durchaus auch an Körperhaltung oder typischen Gesten. Also, weil wir gerade beim Filmschauen sind: Brad Dourif erkenne ich z.B. recht zuverlässig.

Ich will 3D schauen, da stören die Untertitel, der Mann ist nicht so firm im Englischen, also schaue ich alleine… und weil ich doch etwas Hilfe mit dem Film brauche, habe ich die oben erwähnte Freundesgruppe als helfende Hand in Discord bei mir.

Film schauen dauert etwas länger, wenn man immer mal wieder stoppen, mit dem Handy ein Foto vom Bildschirm machen und fragen muss „WER IST DAS? WAS TUT DER?“

„… ich dachte Hulk ist grün…“

An anderer Stelle fand ich mich dann doch relativ gut im Erkennen von Personen. Wenn auch die Präsenz von Namen in meinem Kopf beim Filmschauen anderer Universen eher zu wünschen übrig lässt, und sich gelegentlich die Schauspieler nur über andere Rollen identifizieren lassen.

Damit meine ich jetzt noch nicht mal:

„Oh, Tyrion! Warum ist Tyrion in diesem Film?“

sondern eher:

Ich: „Sag mal, ist das der Ausgeraubte?“
Hilfreicher Freund (HF) 1: „Dem wollen sie noch was wegnehmen.“
Ich: „Ja, aber ist das der Ausgeraubte?“
HF 2: „Ja, das ist der Ausgeraubte.“
HF 1+3: „Wie?“
HF 4: „Ritter aus Leidenschaft ist ein toller Film.“
HF 3: „Ja, müssen wir mal zusammen anschauen.“
HF 1: „Ach, der AUSGERAUBTE, ja, das ist er.“

Ich musste den Film übrigens auf Höhe „Tyrion“ mal stoppen und lasse jetzt erst mal den Inhalt sich setzen, bevor ich weiterschaue.

Wo reiche ich nun die Petition ein, dass sich Figuren im Film durchgängig nicht umziehen dürfen?

Da meine hilfreiche Truppe für solchen Blödsinn zu haben ist, heißt bei uns Rocket Racoon nun übrigens künftig Gucky und Stephens Umhang nur noch Whisper. Und ich freue mich jetzt erst mal auf den nächsten Abend, an dem ich Zeit und Hirnkapazität habe, um weiterzuschauen…

Eventuell habe ich vorbeugend schon mal Black Panther bestellt… Wakanda sieht ja in Infinity War schon einfach nur geil aus in 3D. Und soweit ich das bislang anhand von Bildern beurteilen kann, sind da auch die Kostüme ausreichend individuell, dass ich den Figuren einigermaßen folgen können sollte.

urbandoo

Nochmal Corona… und ich schätze mal etwas Werbung, für die ich nicht bezahlt werde und nichts bekomme.

Menschen und Mund-und-Nasenschutz sind ja so ein Ding… Die einen regen sich auf, die anderen nehmen es hin, die einen sind eh (aus beruflichen Gründen) dran gewöhnt, die Dinger tagein, tagaus zu tragen, die anderen nehmen es zum Anlass für wilde Horrorgeschichten, die ja eigentlich zum Schreien komisch wären, wäre die Situation weniger ernst… manche brüllen „aber die armen Kinder!“, schaut man sich dieselben an, sieht man, dass der überwiegende Teil der Kinder einmal mit den Schultern zuckt und tut, was er tun muss… viel „erwachsener“ als so viele Erwachsenen.

Mein Neffe, seines Zeichens damals noch 5, entdeckte den MNS für sich weil 1.) seine geliebten Ninjago-Ninja schließlich auch ein Tuch vorm Mund tragen in voller Rüstung – nur die Farbe musste eben zum Lieblings-Ninja passen – und 2.) weil er damit glatt ein Jahr älter geschätzt wurde.

Älter geschätzt zu werden ist für viele Erwachsene ja nun eher ein Graus als ein Wunsch. Mutieren etwa gerade deswegen aktuell so viele zur gefühlten mentalen Reife eines … ich mag nicht mal sagen Vorschulkinds, denn alle Vorschulkinder, die mir bislang persönlich begegnet sind, bekommen es hin mit dem MNS. Die wissen sogar, wo in ihrem Gesicht die Nase sitzt!

Ich finde es übrigens echt bedenklich, wenn Menschen, die die eigene Nase nicht identifizieren können etwa als ausreichend verständig eingestuft werden, um Auto zu fahren… das mal nur so am Range.

Nun gibt es zahlreiche Gründe, die ins Feld geführt werden, um keinen MNS tragen zu müssen. Teils kommt man sich vor, wie bei einem Wettbewerb – einem Wettbewerb der Geschichtenerzähler, und der die bizarrste Story findet, gewinnt. Anders kann ich mir die himmelschreienden Begründungen warum und warum nicht kaum erklären.

Ein unter Autisten in der Tat nicht von der Hand zu weisendes Problem ist die Sensorik. Ich möchte aber dringend anregen, erst die unterschiedlichsten Optionen durchzuprobieren, bevor man den Weg des Attests als aller-allerletzte Lösung geht – und dann natürlich mit sämtlichen Vorsichtsmaßnahmen gekoppelt, die man sonst so treffen kann.

Für mich selbst lag und liegt das Hauptproblem immer am Ohr. Masken mit Bändchen an den Ohren… Jo, ich geh‘ mal die Wand hoch. Andere Lösungen üben i.d.R. immer noch punktuellen Druck am Kopf aus, sind zwar nicht so schrecklich aber immer noch höchst unangenehm.

Zunächst nutzte ich also die Option „gefaltetes Halstuch“. Nicht optimal, aber besser als nichts. Die Suche nach einer optimaleren Lösung ging weiter…

bis mir ein freundlicher Zeitgenosse meinen ersten urbandoo® schenkte.

Das sind Loop-Schals eigentlich eher zum Schutz vor Umgebungsschmutz und Pollen entwickelt.

Was diese von anderen Loop-Schals unterscheidet ist zum einen mal das Filter-Inlay, laut Website der FFP3-Stufe entsprechend. Dieses lässt sich entnehmen (wer feinmotorisch besser dabei ist als ich, bekommt es angeblich raus und wieder rein, um den Schal zu waschen). Zwischenrein lässt sich Schal samt Filter zwecks Desinfektion bügeln.

Durch die formbare Nasenklammer und den Silikonstreifen am oberen Rand dichtet der urbandoo® wunderschön ab und vermeidet beschlagene Brillen. Ein Zugband erlaubt die Einstellung so fest am Kopf wie angenehm.

Da die ursprüngliche Funktion für Aktivitäten an der frischen Luft vorgesehen war, ist das Produkt auf angenehm freies Atmen ausgelegt.

Ich mag die Teile. Es gibt sie für Sommer und Winter. Die Winterversion ist deutlich kuscheliger. Ich würde davon abraten, im heißesten Sommer die tiefschwarze Version zu tragen, das wird nämlich ziemlich warm. Neben der etwas dämlichen Erkenntnis, dass ich mit Filter-Schal auch kein Problem mehr mit Bäumen habe, die versuchen, sich mit meiner Nase zu paaren, durfte ich schnell feststellen, das sich auch das Problem des schnell trocken anfühlenden Halses beim Einkauf in der Stadt in Wohlgefallen auflöst, und die sensorische Belastung durch Umgebungsgerüche sich viel leichter unter Kontrolle halten lässt.

Mein Fazit: Diese Schals bleiben mit Sicherheit auch nach Corona meine Begleiter, da sich für mich unterm Strich ein deutlicher Qualitätsgewinn ergibt.

Und wo bekommt man sie? Hier: https://www.urbandoo.net

LEGO Technic Bugatti Chiron (Set 42083) 26.08. – 02.09.

Draufsicht, vorderer Teil des Autos, Kofferraum geöffnet.Ein kleiner LEGO-Koffer ist eingesetzt.

Was macht man, wenn man „Dank“ Corona nicht viel unterwegs ist?

Man besinnt sich auf seine „Ursprünge“ und och ja, Lego könnte man auch mal wieder, oder?

Da ich das LEGO-Kaufen eigentlich eingestellt hatte, weil ich keinen Vitrinenplatz mehr habe, frei aufgestellte LEGO-Modelle Staub fangen als wäre die Disziplin olympisch und zerlegte LEGO-Modelle in Schachteln a) langweilig sind und b.) Platz wegnehmen, den ich für Bücher brauche.

Meine Mutter zu fragen, ob ich nicht etwa in deren Haus LEGO-bauen und insbesondere anschließend die Modelle lassen könnte, kam mir etwas unverschämt vor… bis sie es mehr oder weniger von selbst anbot – solange die fertigen Modelle dann Spielzeug für meinen Neffen werden und bei Bedarf wieder zerlegt werden können.

Deal!

Damit die Modelle etwas länger Bauspaß bieten – und weil ich nebenbei ja auch noch einen Vollzeitjob habe – wird die Baumenge/Bauzeit pro Tag begrenzt. Mein Neffe hilft, soweit er Lust hat und es sinnvoll machbar ist (Größe der Hände und Feinmotorik stören teils etwas.)

Das erste Großbauprojekt des Herbsts war der Bugatti Chiron

Stand am ersten Bautag:

LEGO-Bugatti - Innenleben . Oben im Bild ein montierter Block mit Motor, stangen und Zahnrädern. Vorne im Bild die zweite seite des Fahreuginnenlebens mit ansatzweise zu erkennender Achse. LEGO-Bugatti - Innenleben Seite 1. links ist ansatzweise die Achse zu erkennen, rechts ein L-förmiger Aufbau

Stand 27.08:

Die beiden Teile sind verbunden, der Motor ist links (später hinteres Fahrzeugende) eingesetzt. Erste blaue Teile markieren das Dach.

Stand 28.08.:

Der Motor ist unter blauen Karosserieteilen verschwunden. Die hinteren Kotflügel und das Dach über dem späteren Fahrersitz sind montiert.

Stand 29.08.:

Blick von hinten; eine biegsame Stange simuliert einen roten Leuchtstreifen horizontal über das Heck. Der Motor ist durch eine Öffnung zu erahnen.

30.08.: Seitenansicht, zu den vorherigen um 180% gedreht. Sitze sind motiert, Steine mit Aufklebern sollen wie hellbraunes Leder wirken. ein einzelnes hellblaues Teil markiert das Türscharnier.

31.09.:

Ergänzung Kotflügel vorne in hellblau. Unterer Teil der Tür rechts ist eingebaut.

01.09.

Ansicht von vorne. Die Karosserie ist beidseitig in hellblau angedeutet Seitenansicht. Türen (hellblau) sind eingebaut.

02.09.:

Das fertiggestellte Fahrzeug, hinten dunkelblau, Türen und Kofferraumabdeckung (vorne) hellblau; Räder montiert, der verstellbare Heckspoiler istausgefahren. Scheiben sind durch biegsame Stangen angedeutet, die jeweils den Rand markieren

Draufsicht, vorderer Teil des Autos, Kofferraum geöffnet.Ein kleiner LEGO-Koffer ist eingesetzt. Geöffnete Fahrertür mit Blick in den Innenraum und auf die Gangschaltung

Fazit: Das Bauen machte Spaß. Mit einigen Ausnahmen war es nicht einmal wahnsinnig tüftelig. Schade ist, was wir aber vorher wussten, dass das Auto zwar viele Funktionen, wie etwa eine eingebaute und theoretisch funktionierende Gangschaltung hat, aber keine Möglichkeit, diese wirklich zu betätigen. Eine Motorisierung ist nicht vorgesehen, Platz für Antrieb und Batterie bietet das Auto in der Originalform nicht.

Im Gebrauch als Spielzeug erweist es sich bislang als erstaunlich widerstandsfähig. In anderen Worten, es „lebt“ noch (Stand 21.10.)

Mit dem Arsch zuhause

„Normalerweise“ pendeln wir zwischen Bayern und Belgien. „Normalerweise“ verbringen wir zahlreiche Wochenenden im Jahr mit Reenactment kreuz und quer durch Europa, eine Woche im Frühjahr in England, ein Wochenende in Dublin, irgendwann mal ein langes Wochenende irgendwo im Ausland…

Ich war seit März nicht mehr in Belgien, wo nebenbei mein Pferd steht. Wir waren auf keinem Reenactment, keinem Mittelaltermarkt, keinem Flohmarkt, keinem Volksfest. Es gab keinen Englandurlaub, kein Dublin, kein anderes Land. Mein Neffe musste auf den Geburtstagsausflug, den er sich gewünscht hatte, verzichten.

Machen wir alles. Beschweren wir uns auch nicht groß, denn es muss nun mal gerade sein, aus gegebenem Anlass.

Aber wisst ihr, was mir langsam aber sicher wirklich, wirklich, wirklich auf den nichtvorhandenen Sack geht? Die „Aber ich brauche doch meinen Urlaub“-Brigade.  Ist es denn wirklich so schwer, mal ein Jahr mit dem Arsch zu Hause zu bleiben, und die Urlaubsserie fortzusetzen, wenn es wieder geht?

Sollte es daran liegen, dass ich nicht von klein auf daran gewohnt, war die jährliche Urlaubsfahrt als mein gottgegebenes Recht anzusehen, das ich auf Teufelkommraus unter allen Umständen und ohne Rücksicht auf Verluste durchsetzen muss?

Jeder, der mich online nun begrüßt mit „Na, wie geht’s euch denn, wir kommen gerade aus dem Urlaub zurück“ kann sich jetzt über einen Freifahrschein auf die Aussortierliste freuen. Aktuell nehme ich das als Hinweis darauf, dass die Grundeinstellung dieser Personen mit der meinen schlicht nicht mehrt kompatibel ist.

Staubig…

Ist es hier.

Leider komme ich – ob nun trotz, wegen oder mit Corona – kaum zum Schreiben, egal in welcher Richtung. Vieles holen wir gerade nach, das über Jahre liegen blieb. Eine Wohnung lösen wir noch auf… Meine Schwester, die Schwester, von der ich in der Vergangenheit gelegentlich mit viel Stress geschrieben habe, ist diesen Sommer verstorben. Weder an noch mit Corona, aber auch nicht alkoholbedingt. Viel Ruhe ist nun eingekehrt. Vieles ist erledigt… vielleicht habe ich jetzt auch wieder Zeit, mehr zu schreiben.

Mal schauen.

Kleinigkeiten

Wie ärgert man einen Autisten?

Man ändert das Design der Margarineverpackung.

 

Kann doch nicht so schlimm sein?

Naja.

 

Es fliegt immer mal wieder der Begriff „Filterschwäche“ durch den Raum, die Zeit und das Internet.

Ich sage auch gerne: Ich lebe in einem Wimmelbild.

Kennt ihr die? Diese Bilder, auf denen unendlich viel los ist, und man soll was drauf finden.

Hier, so was!

Wimmelbild!

 

Sag mir mal ganz schnell, wie viele Kaffeetassen sind da drauf? Wo ist das gelbe Männchen mit der roten Krawatte? Ist da irgendwo ein Eisbecher?

Nein, nicht suchen. Draufschauen und mit einem Blick sehen!

Könnt ihr nicht?

Ja, ach so.. Also, ich auch nicht.

 

Stell dir jetzt bitte vor, diesen Detailgrad nehme ich immer wahr.

Nun stell dir bitte vor, was du als NT wahrnimmst, würde im Vergleich etwa das sein. Bitte nochmal: Wo ist das gelbe Männchen mit der roten Krawatte?

Wimmelbild_sw_2

Geht gleich schneller, oder?

Natürlich stehe ich jetzt nicht ständig da und brauche Stunden, um mir drüber klar zu werden, was um mich herum ist. Das Gehirn „gewöhnt“ sich dran und bastelt sich eine Art Schablone. Heißt: Alles, was so aussieht (sich so anhört, so schmeckt, etc.) wie das Verarbeitungsprogramm in meinem Kopf gelernt hat, dass es sein soll, wird getrost ignoriert. Das allerdings so vollkommen, dass ich in der Tat wissen muss, wo meine Sachen sind, denn sobald etwas nicht an der Stelle ist, an der ich es erwarte, muss ich im Wimmelbild suchen. Und zwar im komplett farbigen.

 

Nun passt mein abgespeichertes Muster aber nur auf den exakt richtig aussehenden/klingenden/schmeckenden Reiz. Alles, was davon abweicht, wird automatisch als „wichtig“ und gefälligst wahrzunehmen und zu verarbeiten empfunden. Das ist wichtig, denn sonst würde ich auf meiner „Hausstrecke“ z. B. nicht merken, wenn ein Radfahrer aus der Nebenstraße geschossen kommt, während ich geradeauslaufe. Wäre blöd.

Nun schaltet aber das Hirn in dem Augenblick auf volle Aufmerksamkeit.

Heißt: Ich möchte mir ein Brot streichen, öffne meinen Kühlschrank, und habe, von der Schablone abweichend, die „falsche“ Margarinedose im Blick. Dann macht mein Gehirn: ABWEICHUNG! FALSCH! Hier, lieber Mensch, ich gebe dir jetzt mal alles, was ich sehe und du kannst dann was damit anfangen und  mir sagen was ich damit mache.

Stell dir mal vor, du gehst mit geschlossenen Augen in eine Disco und machst diese dort mitten in Chaos, farbigen Discolichtern und Stroboskopstrahler auf. Das ist dann so in etwa der Effekt. Plötzlich ist ALLES da. Das verarbeite dann bitte erst mal alles. Aber schnell, und bitte dran denken, was du aus dem Kühlschrank nehmen wolltest, während nebenbei auch noch die Geräuscheschablone abschaltet, und dir das Summen des Kühlschranks in den Ohren liegt, und zwei Zimmer weiter das Fenster offensteht und der Verkehr draußen Geräusche macht, und nebenbei hat es 30 Grad und du riechst den feuchten Kaffeesatz im Vollautomaten, denn die Geruchsschablone ist auch weg, und außerdem zieht sich links am Ärmel ein Faden aus dem Saum und liegt auf der Haut, und übrigens steht der Kühlschrank immer noch offen, aber eigentlich müsstest du grade dringender das Fenster zumachen, und den Faden abschneiden, und essen wolltest du auch noch und…

Wäre ich jetzt vier, oder acht, oder vielleicht sogar vierzehn, wär’s das jetzt. Zu viel, zu schnell, zu viele Eindrücke auf einmal sind körperlich schmerzhaft, wenn sie unvermittelt plötzlich kommen sowieso…

Bin ich aber nicht, und ich führe seit über einem Vierteljahrhundert meinen eigenen Haushalt und ich kann das „ab“ – mehr oder weniger zumindest. Kühlschrank zu. Fenster zu. Faden ab. Essen kann ich mir jetzt eh sparen. Würde jetzt jeden Bissen jeden Millimeter bis zum Magen verfolgen können und dort dann noch liegen spüren, hätte noch in einer Stunde das Gefühl, Krümel im Mund zu haben, weil der Eindruck nicht weggeht, würde alles schmecken wie mit einer Ladung Geschmacksverstärkern verfeinert, …

Erst mal eine Runde Spezialinteresse nachgehen, um die Aufmerksamkeit wieder auf „normal“ zu stellen.

Später neuer Anlauf.

Allerdings habe ich gerade in vielleicht zwei Minuten eine Menge an Energie verbrannt, die ich auch anders hätte nutzen können. Zum Beispiel um einmal auf bekannten Wegen einkaufen zu gehen. Oder mit der Familie Mittagessen. Oder zwei Kapitel von einem Sachbuch auf Universitätsniveau zu lesen und den Inhalt zu behalten. Davon, dass ich jetzt nochmal mindestens 30 Minuten brauche, bis ich mich wieder auf irgendetwas anderes als Sinneseindrücke und Spezialinteresse konzentrieren kann, was heißt, dass ich nachher 30 Minuten länger arbeite wenn ich eigentlich Feierabend hätte, und nebenbei Energie fehlt, weil ich nicht nur mehr verbrannt habe als vorgesehen war, sondern auch nicht gegessen habe, und bei geringer Energie eh alles schwerer wird…

 

Aber man kann sich doch daran gewöhnen, oder? Und die Schablone ändern auf die neue Packung?

Ja. Kostet aber Energie.

Und das muss nicht sein, im Sommer, wenn sie mir die Hitze draußen eh ständig abzieht.

Das muss nicht sein in einem Zeitraum, in dem ich jedes Wochenende andere Aktivitäten habe, denen ich nachgehen will.

Das will ich dann machen können, wenn ich die Zeit und die Energie dafür zur Verfügung haben.

Aber in über 25 Jahren Haushalt merkt man’s ja irgendwann…

Altneu

Und deswegen gehe ich dann eben an den gelben Sack und stecke die letzte Margarinedose im „richtigen“ Design in die Spülmaschine… die trägt die neue jetzt bis auf weiteres als Mantel.

mix

Kernschmelze

Meltdown. Kernschmelze.

Ich zitiere Wikipedia:

„Als Kernschmelze bezeichnet man einen schweren Unfall in einem Kernreaktor, bei dem sich […] Brennstäbe übermäßig erhitzen und schmelzen. […]

Eine Kernschmelze kann auftreten, wenn die Reaktorkühlung und auch jede Notkühlung ausfällt. Die Nachzerfallswärme – sie entsteht nach Unterbrechung der Kernspaltung unvermeidlich – bewirkt dann, dass die Brennelemente sich stark erhitzen, schmelzen und das Schmelzgut (Corium) am Boden des Reaktors zusammenläuft.

Falls bei einem solchen Unfall auch das Reaktorgefäß zerstört wird, kann hochradioaktives Material unkontrolliert in die Umgebung gelangen und Mensch und Umwelt gefährden – ein Unfall, den man als Super-GAU bezeichnet.“

 

Im Zusammenhang mit Autismus hat „Meltdown“ natürlich nichts mit Radioaktivität zu tun. Dennoch wird der Begriff nicht grundlos verwendet.

 

Beim Lesen in den Foren finde ich oft Eltern, die von den „Wutanfällen“ ihrer Kinder erzählen. Meine erste Frage, immer: Sind das Wutanfälle? Oder sind das Meltdowns?

Der Unterschied ist in der Tat wichtig. Unterschiedliche Auslöser. Unterschiedliche Auswirkungen. Unterschiedliche Möglichkeiten, damit umzugehen.

Meltdowns gibt es laut und leise, mit Fremd- oder Autoaggression, mit Schreien oder durch Verstummen und komplett in sich zurückziehen. Wenn mir Eltern erzählen, ihre autistischen Kinder hätten noch nie einen Meltdown gehabt, würde ich das Kind gerne dafür beneiden, in einer so stressreduzierten Umgebung zu leben, fürchte aber eher, dass die Eltern in Frage in Gedanken an einem Klischee der Ausdrucksform hängen, und den Vorgang nicht erkennen.

 

Wie und wann kommt es zum Meltdown?

Meltdowns sind die ultimative Stressreaktion. Gibt man einen Autisten und einen Nichtautisten in dieselbe Situation, setzt man beide denselben Stimuli aus, wird der Autist mit hoher Wahrscheinlichkeit den höheren Stresspegel aufweisen. Das liegt an den fehlenden Filtern. Für uns ist alles ständig lauter, greller, extremer. Wir bekommen selten Pausen, in denen das Gehirn die Welt einfach ausfiltert. Die Methoden, mit denen wir uns diese Pausen nehmen können, werden uns allzu oft von den Nichtautisten in unserer Umwelt nicht so recht vergönnt. Selbst wenn wir sie bekommen – stehen wir den Rest der Zeit im Schnitt unter mehr Stress als der Nichtautist. Einfach nur dadurch, dass wir leben. Uns in der Welt aufhalten. Den ständigen Input von außen aushalten müssen.

Nein, dafür kann keiner was.

Stresspegel kann man messen. An bestimmten Blutwerten zum Beispiel.

Stresshormone kurbeln übrigens den Körper an, machen ihn kampf- und fluchtbereit und übermäßig aufmerksam. „Übermäßig aufmerksam“ verstärkt für uns das Problem, denn wir nehmen ohnehin schon mehr wahr als wir eigentlich verarbeiten können. „Kampf- und fluchtbereit“ führt dazu, dass viele von uns manche Stoffe schneller verbrennen, als wir sie durch Ernährung zuführen können. Wir neigen dazu, in Mangelerscheinungen abzurutschen, was zu allgemeinem Unwohlsein führt, was den Umgang mit dem Autismus jetzt auch nicht gerade erleichtert.

Aber das ist eine andere Geschichte und soll… sofern ich jemals wieder die Zeit finde, regelmäßig zu schreiben… ein andermal erzählt werden.

 

So. Was machen Stresshormone im Körper?

Adrenalin und Cortisol sind die beiden wichtigsten „verdächtigen“. Sie beschleunigen den Herzschlag, erhöhen den Blutdruck, Muskeln spannen sich an, Blutzucker steigt. Die Atmung wird schneller. Die Verdauung wird vorerst eingestellt, um keine unnötige Energie zu verbrauchen.

Die Situation ist jetzt schon nicht so wahnsinnig angenehm, aber wenn der Stresspegel nun weiter ansteigt, und weiter, und weiter, dann kommt irgendwann der Punkt, an dem eine Art obere Gefahrengrenze erreicht ist. Der Körper registriert das Übermaß an Stresshormonen und hat nur eine Möglichkeit, dies zu interpretieren: Es besteht eine akute Lebensbedrohung.

Das ist keine bewusste Entscheidung. Ihr könnt es euch fast wie einen Schalter vorstellen, der umgelegt wird. So, wie ein Behälter irgendwann überläuft, wenn man immer weiter Wasser nachfüllt, ob er nun will oder nicht.

Wenn dieser Schalter „umkippt“, setzt das Denken aus. Dass objektiv keine Gefahr besteht, ist irrelevant. Der Körper schaltet auf reines Überleben. Mitdenken würde stören, es würde Reaktionen verlangsamen, es könnte in der Situation, auf die eine solche Reaktion eigentlich zugeschnitten ist, den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten. Bewusste Kontrolle gibt es nicht mehr. Je nach Situation und persönlicher Veranlagung ist dann alles möglich von: In sich verkriechen („totstellen“) und apathisch auf nichts mehr reagieren, über weglaufen (Flucht) bis hin zu wildem Angriff auf alles, was sich nähert, alles, was einen berührt.

 

Und dann?

Übermäßig viele Stimuli haben das Problem ausgelöst, und jeder weitere Stimulus – das heißt, jedes Wort, das gesprochen wird, jede Berührung… – verschlimmert die Situation. (Achtung: Bei manchen ist es umgekehrt und bestimmte Berührungen sind hilfreich. Bitte den Autisten in Frage fragen – aber nicht mitten im Meltdown, da kann er nämlich nicht sinnvoll antworten).

Dadurch, dass der Körper bereits alles mobilisiert hat, bringt man im Zustand des Meltdowns unter Umständen auch eine Kraft oder ein Tempo auf dem der/dem man sonst vielleicht gerade mal träumen kann.

In kürzester Zeit wird eine Unmenge an Energie verschossen. Irgendwann ist es vorbei. Der Körper ist erschöpft, es gibt keine Reserven mehr, man kann nicht anders als sich zu beruhigen. In der Situation, für die die Reaktion mal gedacht war… hat man dann entweder die Gefahr bereits beseitigt bzw. ist ihr entronnen, oder man geht in dem Augenblick drauf, in dem man „nicht mehr kann“.

In der Situation des Autisten in der heutigen Welt ist dann eben der Meltdown vorbei. Man kann sich beruhigen. Wird wieder ansprechbar. Ist tief erschöpft. Viele von uns brauchen nach einem Meltdown erst mal Schlaf, oft auch ungewöhnlich lange.

Es wird auch gelegentlich davon berichtet, dass man sich in Folge eines Meltdowns entspannter fühlt als vorher. Was auch logisch ist – denn aktuell ist im Körper alles, was eine Anspannungs-/Stressreaktion auslösen kann, verbrannt. Ja, als erwachsener Autist kann man u.U. die Entscheidung treffen, dass das jetzt ein sinnvoller Schritt ist, den Punkt zu provozieren.

Beim Kind – würde ich mich damit zurückhalten. Siehe gleich unten.

 

Der hohe Stresspegel verhindert übrigens die Bildung (zuverlässiger) Erinnerungen. Viele von uns haben keinerlei Erinnerungen an den Meltdown selbst. Es bleibt oft nur eine große Angst vor dem Auslöser, und vor dem Zustand selbst. Im Grund ist das, was man im Meltdown empfindet nämlich: Todesangst.

 

Haben nur Autisten Meltdowns?

Nein. Grundsätzlich kann man einen Meltdown bei jedem Menschen provozieren, wenn man ihn nur ausreichend viel Stress aussetzt.

Nur ist das beim NT nicht so einfach. Um den auf den gleichen Stresspegel zu bringen, braucht es deutlich mehr. Eben beispielsweise eine akut lebensbedrohliche Situation.

Die üblichen Verdächtigen:

Akute Katastrophen.
Folter.
Soldaten im Krieg.

Das sind so die Situationen, in denen der „Standardmensch“ den Meltdown am eigenen Leib erleben kann.

Was bedeutet: Der junge Autist, der tägliche Meltdowns durchlebt, erfährt die gleiche Menge an Stress wie ein Soldat im aktiven Kampfeinsatz unter Beschuss. Täglich. In der Schule. Zu Hause. In einem Umfeld, das eigentlich sicher sein sollte.

Wundert es da, dass so viele Autisten im Erwachsenenalter alle Diagnosekriterien für eine posttraumatische Belastungsstörung erfüllen?

 

Deswegen die Grundregel: Meltdowns gilt es in allererster Linie zu vermeiden.

 

Und wie erkenne ich jetzt den Unterschied zwischen einem Meltdown und einfachem Zorn?

Eigentlich ganz einfach. Probe aufs Exempel wäre: Endet das Toben, wenn das Kind angeboten bekommt, seinen Willen zu bekommen? Wenn ja, war es kein Meltdown.

Nun ist diese Methode aber nicht in jeder Situation wünschenswert, und noch nicht mal in jeder Situation theoretisch machbar.

Ein anderes Verfahren mit relativ geringem Risiko eines falschen Ergebnisses: Geht Ablenkung? Biete dem Kind ein Glas Wasser an, sage irgendetwas mit der Situation komplett umzusammenhängendes, mach etwas total dämliches/albernes/etc. Im Meltdown wird keine Reaktion kommen. (Restrisiko besteht, dass sich das Kind im Zorn/Wutanfall auch nicht mehr dafür interessiert, andersrum dürfte kein Risiko bestehen.)

 

 

Meine zugrundeliegende Literatur für den Vergleich mit NTs:

Cognitive Performance and Mood associated with combat-like stress in Aviation, Space and Environmental Medicine;

Severe decrements in cognition, function and mood during simulated combat (Biological Psychiatry);

Stress induced deficits in special operations soldiers, idem.

Symptoms of dissociation in humans experiencing acute, uncontrollable stress (American Journal of Psychiatry);

Speziell zu Hormon- und Transmitterpegeln:

Relationships among Plasma Dehydroepiandrosterone Sulfate and Cortisol Levels, Symptoms of Dissociation and Objective Performance in Humans Exposed to Acute Stress (Archives of General Psychiatry),

Relationship among plasma cortisol, catecholamines, neuropeptide Y and human performance during exposure to uncontrollable stress (Psychosomatic Medicine),

Plasma Neuropeptide Y concentration in humans exposed to military survival training und Hormone Profiles in Humans experiencing Military Survival Training (beide Biological Psychiatry).

Autoren liefere ich auf Wunsch nach, die hatte ich nicht mit notiert, als ich die Liste das letzte Mal gebraucht habe.

Texte zur allgemeinen Wirkung von Stresshormonen finden sich auch auf Deutsch zahlreich online.

Es weihnachtet sehr

Alle Jahre wieder tauchen sie auf, diese Fragen. Das ganze Jahr über, weil jeder irgendwann Geburtstag hat, aber zu Weihnachten ganz besonders. Auf den Plattformen, in den Facebook-Gruppen, in den Foren, liest mal dann:

Was schenkt ihr euren Kindern so? Mein Kind wünscht sich nichts.

Oder: Mein Kind wünscht sich nur [diese eine Sache].

Oder … Sachen zu [diesem einen Interesse].

Oder: Eine Sache, die ja gar kein echter Wunsch ist.

Oder: … aber das ist doch für viel jüngere.

Oder: … aber das ist doch für Mädchen.

und weitere unzählige Varianten davon.

 

Ich beantworte die Frage, ganz pauschal:

Sprechen nicht gravierende Gründe dagegen (die finden sich beim eigenen Pony sicher eher als bei einer Barbiepuppe): Schenkt dem Kind, was sich das Kind wünscht.

Das Kind möchte nur Figuren einer bestimmten Serie, hat aber schon 28 davon?
Dann finden die 29. und die 30. doch sicher auch noch Platz.
Sagt mal zu einem Briefmarkensammler: Du brauchst nicht noch eine Briefmarke, du hast schon so viele.

Das Kind hat ein besonderes Interesse und wünscht sich nur dazu etwas?
Man findet sicher etwas, das mit dem Interesse zu tun hat.
Das Interesse ist Computerspielen? Das ist nicht nützlich?
Ja… und? Es geht um ein Geschenk.

Ein Geschenk soll Freude machen.

Und zwar dem Beschenkten.

Geschenkt wird nach meinem Verständnis so, wie es zum Empfänger passt. Was ich davon halte, ist erst mal komplett irrelevant, denn ich muss mich über dieses Geschenk nicht freuen. Ich schenke nicht für mich, sondern für den Empfänger.

*

Werfen wir mal einen Blick aufs Kind, das sich das 326. Matchboxauto gewünscht, aber ein Buch übers Programmieren bekommen hat.

Es gibt wenige Sachen, die sich schlimmer anfühlen, als ein Geschenk, das nicht für die Person gedacht ist, die man ist, sondern für die Person, die der andere gerne gehabt hätte. Das Kind, das sich die Eltern gewünscht hätten. Das offensichtlich nicht man selbst ist.

Schenkt ihr gegen den Wunsch des Kinds ein Geschenk das ihr für „besser“ haltet, sendet ihr nicht nur die Botschaft:

Deine Wünsche sind mir egal.

Ihr sendet auch die Botschaft:

Du bist falsch.
Nichts machst du richtig.
Du hast schon wieder was falsch gemacht.
Nicht mal wünschen kannst du anständig.
Das, was du dir da wünschst, ist unangemessen (wahlweise beschämend, wenn sich das Kind etwa ein Spielzeug gewünscht hätte, das „offiziell“ für jüngere ist, oder mit dem jeweils anderen Geschlecht in Verbindung gebracht wird).

Glaubt mir bitte eines: Diese Botschaft bekommen junge Autisten oft genug. Ihr müsst das nicht auch noch ausbauen.

*

Bei vielen erwachsenen Autisten in meinem Umfeld hat unter anderem gerade dieses Vorgehen (zusammen mit den erzwungenen Feiern) irgendwann dazu geführt, dass sie Geburtstage, insbesondere die eigenen, und sonstige Geschenkefeste nur noch als unangenehm empfinden und vermeiden.

Wobei – ich kenne auch ein paar NTs, bei denen nach Vorschrift gewünscht werden musste, die sich nicht mit ihren Interessen gedeckt haben, und die ähnliche Einstellungen entwickelt haben.

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Bitte:

Respektiert die Wünsche und Interessen eurer Kinder.

Schenkt nicht nach dem, was euch gefällt, sondern wählt das, was dem Kind gefällt.

Schenkt nicht nach dem, was die Nachbarn beeindruckt, oder was die Oma oder Tante loben wird.

Schenkt ausschließlich so, wie es zum Empfänger passt.

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Und wenn das Kind das Äußern von Wünschen komplett verweigert? Dann denkt bitte mal zurück an die letzten Male, bei denen ein Wunsch geäußert wurde. Welche Botschaft habt ihr da vermittelt?

(Und ja… es gibt auch solche unter uns, denen einfach das ganze Brimborium zu viel ist, denen die Überraschung zuwider ist – mir übrigens auch, deswegen bitte ich darum, ausschließlich von meinem Amazon-Wunschzettel zu schenken – und die vielleicht gar nicht immer in der Lage sind, sich auf einen neuen Gegenstand einzulassen. Und wenn das so ist… dann macht ihnen das doch bitte nicht zum Vorwurf.)