Das Merrion Hotel in Dublin. Wow.
Also, ich hatte ja keine Ahnung, dass es das überhaupt gibt. Von außen wirklich unscheinbar, von innen macht es das sofort wieder wett. Es sind vier Stadthäuser, die in ein Gebäude umgebaut wurden. Eines davon war eben das Haus der Wesleys, das verkauft wurde, um Familienschulden abzubezahlen. Viel aus der Zeit ist nicht übrig, die Einrichtung ist zwar im Stil schon historisch, aber neuer als die Zeit vor 1800, die mich hier interessieren würde. Macht nichts, ich liebe so große, feudal eingerichtete Räume und komme aus dem Schauen erst mal nicht raus.
Das Hotel hat gleich mehrere Gelegenheiten, positiv aufzufallen. Wir gehen zur Rezeption, er nennt seinen Namen, und wir werden korrekt begrüßt. Das ist nicht selbstverständlich. Klingt vielleicht blöd in der heutigen Zeit, aber zahlreiche Orte außerhalb Belgiens haben ihre Schwierigkeiten damit, dass wir unterschiedliche Nachnamen haben. Im englischsprachigen Raum wird das dann noch schlimmer, weil die Verwirrung zwecks korrekter „Form of Address“ hinzukommt. Nein, hier bekommt man das hin.
Und noch was bekommt man hin – ich werde nämlich umgehend informiert, man wisse leider nicht welches Zimmer Arthurs Kinderzimmer war… allerdings würden sie versichern, es sei keine andere Verwendung aus der Zeit für den Raum bekannt, und die Lage im Gebäude wäre etwa richtig.
Grins. Ich liebe das Hotel jetzt schon.
Unser Zimmer ist für den Standard dieses Hotels eher klein, für allgemeine Hotelstandards aber riesig. Das Bett ist toll, die Fenster gehen in Richtung „Garten“ – später im Jahr wäre das wohl ein Park, man kann sich schon vorstellen, wie es aussehen wird, wenn alles grün ist, aber dazu ist es noch zu früh. Die Wände sind mit großformatigen Gemälden dekoriert und wir haben W-LAN.
Das Badezimmer hat eine Badewanne… ich freue mich schon, lasse aber dem Mann auf seine Anfrage hin den Vortritt. Er merkt die Ausläufer seiner Grippe doch noch etwas und möchte diese gerne in heißem Wasser ertränken. Darf er, ich baue mir derweil mal meinen Laptop auf, blättere das Infomaterial durch, das ich bekommen habe und drehe dann virtuell per Website eine Runde durch das Gebäude. Es gibt mehrere Bars und Restaurants im Hotel, aber nicht jedes Raumlayout „funktioniert“ für mich – ich weiß gerne vorher ungefähr, wo ich stressfrei essen kann.
Der Mann taucht gut durchgewärmt aus der Wanne auf, komplimentiert die Badezimmerausstattung und schlägt eine Runde durchs Hotel vor.
Die wird auch umgesetzt, wobei ich wenig überrascht feststelle, dass der laut Unterlagen großzügige Wellnessbereich für mich nicht nutzbar ist, wenn wie so üblich fangen meine Augen schon zu brennen und zu tränen an, wenn ich den davorliegenden Gang betrete. Ungestellte Frage geklärt… das lassen wir ausfallen. Wir üblich.
Wenn man Kunst nicht mag, sollte man dieses Hotel definitiv meiden. Überall hängen Bilder unterschiedlicher Formate. Nur weniges, bei dem ich mir denke „Ist das Kunst oder kann das weg?“ Einige Sachen betrachten wir auch wirklich länger. Also – ich find’s toll.
Allerdings will ich die Badewanne auch noch ausprobieren, und zeitig ins Bett, und so wirklich Lust auf Gesellschaft habe ich auch nicht. Also probieren wir noch was aus: Den Zimmerservice, der dann tatsächlich auch kurz vor Mitternacht, als wir uns endlich endgültig entschieden haben, noch Pizza aufs Zimmer liefert. Billig ist er nicht, aber ganz ehrlich – das reißt’s bei diesem Hotel auch nicht mehr raus. Ich habe die Zimmerpreise inzwischen nachgeschaut und beschlossen, dass der Herr sich ein ganz besonders sorgfältig ausgewähltes Geburtstagsgeschenk verdient hat in diesem Jahr. Das Frühstück für den nächsten Morgen bestellen wir mal gleich mit.
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Den Samstag beginnen wir mit einem punktgenau servierten Frühstück mit einer kleinen Panne an die wir gewöhnt sind: Die heiße Schokolade landet bei mir, der schwarze Kaffee beim Mann.
Wir tauschen ohne Kommentar die Tassen, darin haben wir Übung. Ich bin ja morgens eh nicht so wirklich gesprächsfähig, und er normalerweise nicht sehr streitlustig.
Wir sind normalerweise sehr viel zu Fuß unterwegs, und es zieht uns nach draußen, ganz unabhängig davon, wie diesig es ist. Da müsste es schon in Strömen regnen, und es sieht nicht mal aus, als würde es sehr feucht werden.
Dublin rühmt sich damit, klein genug zu sein, um fußläufig erkundet zu werden. Das trifft nun unserer Meinung nach auch auf Brüssel zu, aber es ist schon richtig, überfordert fühlen wir uns nicht.
Was zieht einen Bibliothekar und eine Büchersammlerin in einer Hauptstadt grundsätzlich magisch an? Genau. Die Nationalbibliothek, die Leabharlann Náisiúnta na hÉireann.
Hübsches Gebäude. Da das damalige Handy schon länger im Ruhestand ist, und ich die wenigen Fotos, die ich geschossen habe, nicht bei der Hand habe, bediene ich mich gerade mal bei Wikipedia.
Und was war gerade nicht ausgestellt? Wer „Wir fliegen nach Dublin?“ gelesen hat, kann’s sich denken…
Irgendwann bekomme ich das Ding schon noch zu sehen. Irgendwann schleiche ich mich mal unter falschem Namen nach Irland oder so, damit sie es nicht verstecken können. So.
Andere Ausstellungen gab es allerdings, und die bekamen auch ausführlich Aufmerksamkeit von uns. Das ganze zog sich, der Vormittag war dann auch rum. Das passiert, wenn man uns in eine Bibliothek setzt und unbeaufsichtigt dort rumlaufen lässt…
Da ist es praktisch, dass direkt neben dran die Archäologieabteilung des irischen Nationalmuseums, des Ard-Mhúsaem na hÉireann, angesiedelt ist. Dort gibt es nämlich nicht nur genug Ausstellungsmaterial für ein paar weitere Stunden Aufenthalt, sondern auch ein Café, das ein leichtes Mittagessen anbietet und uns erst mal für den nachfolgenden Museumsbesuch stärkt.
Bis wir dort fertig sind, ist es an der Zeit zum Hotel zurückzugehen. Unser Aufenthalt beinhaltet eine Veranstaltung, die sich Art Afternoon Tea nennt. High Tea ist ja normalerweise nicht so mein Ding, aber das klang echt interessant.
Außerdem soll es eine Harfespielerin geben (gibt es), und Harfe ist eines der wenigen Musikinstrumente, die ich eigentlich fast immer hören mag, und die mich auch im Hintergrund nicht stören.
Der Witz am Art Afternoon Tea ist, dass zum Tee kleine Gebäckstücke gereicht werden, die in Farbe und Form diversen Kunstwerken nachempfunden sind. Die Platten, auf denen sie angerichtet sind, enthalten dann auch immer eine Abbildung des inspirierenden Kunstwerks. (Ein paar Beispiele sind hinter dem obigen Link zu sehen.)
Man muss zum Glück auch keinen Tee trinken. Erneut werden wir positiv überrascht – dieses Mal werden die Getränke richtig herum serviert. So liebt man das doch… Ziemlich voll ist es, aber eines muss man schon sagen – wenn alle ausreichend vornehm tun, bringt man wesentlich mehr Personen in einen Raum, ohne gleich Overload auszulösen. Die essbare Umsetzung diverser Kunstwerke beschäftigt mich auch wirklich genug, um mich nicht daran zu stören. Ich finde das ganze Konzept toll.
Trotzdem will ich danach nochmal raus. Dieses mal gehen wir aber nicht weit, sondern nur bis zum Merrion Square Park.
Hier bin ich mal ausnahmsweise „voll Mainstream“. Ich finde die Statue von Oscar Wilde toll, die da so relaxt auf einem Stein liegt und es sich gut gehen lässt. Die unterschiedlichen Farben und Texturen sind aus unterschiedlichem Stein hergestellt. Die grüne Jacke ist grüne Jade aus Kanada, die roten Aufschläge aus Thulit (einer Zoisitvarietät) die Hose Larvikit (beides aus Norwegen), Kopf und Hände aus weißer Jade aus Guatemala. Die Schuhe sind aus Granit.
Das Gesicht trägt einen doppelten Ausdruck – die eine Hälfte blickt ernst, die andere lächelt.
Der Künstler, Danny Osborne, wollte Wildes Liebe zu schönen Objekten und Edelsteinen sowie seine schillernde Persönlichkeit einfangen. Ich denke, das ist ihm sehr gut gelungen.
Foto wieder von Wikipedia.
Die beiden Säulen, die noch zu dem Kunstwerk gehören, sprechen mich allerdings weniger an.
Neben dieser hat der Park auch noch andere Skulpturen und ist außerdem für seine Sammlung historischer Straßenlaternen bekannt.
Unser letzter Stopp des Tages ist das Oscar Wilde House, 1 Merrion Square. Wir hatten gehofft, dieses sei zu besichtigen – Falsch gedacht. Zum einen wurde es gerade mal wieder umgebaut – wir hören später von einer Kollegin aus Dublin, das sei mehr oder weniger Dauerzustand – und zum anderen wäre eine Voranmeldung ohnehin immer empfehlenswert.
Nach ein bisschen Ausruhen im Zimmer, und ein bisschen Träumen von Klein-Arthur, der geigespielend am Fenster steht und in den Garten hinausschaut, geht es zum Abendessen in eines der Hotelrestaurants, ausgesucht nach dem Layout bzw. den Nischentischen, in denen man sich gut abschirmen kann. Das Essen ist genau wie der Rest des Hotels: einfach toll.
Und weil noch Tag übrig ist, keiner von uns fahren muss, wir gerade in Irland sind und ohnehin gerne mal einen guten Whisk(e)y trinken und viel zu selten dazu kommen, endet der Abend in der hoteleigenen Bar No. 23 beim Whiskey-Tasting in 1-A Gentlemen’s-Club-Atmosphäre.
Yep. So ein Wochenende darf er auch wieder mal planen, der Mann.
(Nein, ich habe in der Auktion am Sonntagvormittag dann keinen Zuschlag bekommen. Er auch nicht. Aber das Wochenende war toll.)