Mal schauen… vielleicht habe ich Lust, wieder ein bisschen mehr/öfter zu schreiben. Das ist keine Ankündigung und kein Versprechen, nur ein Gefühl, dass die Richtung dahin gehend könnte.
Hier auf jeden Fall eine Begebenheit von vor ein paar Wochen, von der ich einigen netten Menschen im Internet versprochen habe, dass ich sie genauer als auf Twitter möglich erzähle.
Da keiner von uns durchgängig dabei war, ist das Folgende aus dem Erinnerungsabgleich von drei Personen zusammengesetzt.
Mein Partner (F) und ich waren mal wieder mit einem sehr guten Freund (Langes Elend – DLE) unterwegs, in der etwas lustigen Konstellation, dass wir sowohl Freunde als auch er in dem Moment unser Auftraggeber und Chef ist als auch wir dafür bezahlt werden, ihm in dem Moment im Zweifel die Meinung zu geigen und ansonsten drauf aufzupassen, dass er in einem Stück durch das Wochenende kommt und idealerweise Sonntagabend nicht in schlechterem Zustand ist als Freitagfrüh.
Vage begann das ganze damit, dass wir am ersten Tag im Event saßen, das für uns alles relativ glatt lief, DLE nebenbei ein bisschen einen Kumpel trollte (grundlegend nicht mein Problem, wenn er sagt, der kann das ab, glaube ich das erst mal) und neben den üblichen Ärgernissen, die kaum einer separaten Erwähnung wert sind, mir immer wieder eines auffiel: Zwischen einem der anderen Gäste (G) und seiner Assistenz schien es mir nicht zu passen.
Da fängt es für mich jetzt an, anstrengend zu werden, wenn ich mir durchweg sagen muss: Nicht meine Baustelle…
In aller Regel sind wir für ein komplettes Event als PAs (Personal Assistants) angeheuert und ich sitze irgendwo zwischen Teammanagement und Teamleitung, auf jeden Fall so, dass es mein Job wäre, in dem Fall mal eben rüberzugehen und zu fragen, ob alles OK ist, oder ob wir neu zuteilen müssen. Hab‘ ich schon gemacht.
In diesem Fall aber gehören wir nicht zum Event-Betrieb, wir sind NUR die privaten PAs von DLE, die der mitgebracht hat, weil er dem vom Veranstalter gestellten Personal aus Gründen nicht traut – und da geht es mich grundlegend nichts an, und mitten im Event unkontrolliert in den Ablauf eingreifen ist nicht so DIE tolle Idee. Also ist Zusammenreißen angesagt – Gerade mit Blick darauf, dass G. nach Schlaganfall körperlich doch etwas stärker eingeschränkt ist und aus Gründen an diesem Wochenende seinen Rollstuhl auch nur sehr bedingt selbst unter Kontrolle hatte und sich auf die Kooperation seiner „PA“ verlassen musste, war ich ein paarmal doch drauf und dran, aufzustehen und rüberzugehen – das ist so grad die Situation, in der es einfach passen MUSS, und wenn ich dafür verantwortlich bin, dass jede*r einen Menschen an seiner*ihrer Seite hat, mit dem er*sie entspannt arbeiten kann, wäre das eine Situation, auf die ich besonders ein Auge halten würde, *wenn ich dafür zuständig wäre*. So zwinge ich mich erst mal dazu, mich drauf zu verlassen, dass G. alleine groß ist und das schon geregelt bekommen wird, bzw. wäre meine erste Erwartung ohnehin, dass auch der seine eigenen Begleiter dabeihat. Und wenn ich so ganz ehrlich bin – der Umgang zwischen uns und DLE ist von außen betrachtet auch nicht immer SO professionell wie er sein sollte und wurde auch schon von Veranstaltern moniert (unnötig, aber der Veranstalter kann ja im Grund nicht wissen, dass wir, wenn wir nicht zusammen arbeiten, mehr so auf der Ebene Found-Family-Adoptivgeschwister agieren, und die Umgangsformen bei uns entsprechend immer etwas, äh, flapsiger sind als sie das mit jedem anderen professionell sein müssten).
Nun war unser Plan bereits zuvor, uns an dem Abend noch mit dem vormals getrollten Kumpel (K) von DLE und wenigstens einem örtlichen Freund von diesem (der Basti) irgendwo in eine vom Basti gewählte Kneipe zu setzen und uns ‘nen schönen Abend zu machen. K. hatte nun die Idee, „The more the merrier“, wir fragen beim Dinner mal rum, wer noch mitgehen mag. Okay.
Event für den Tag zu Ende, es gibt die Option, entweder selbst was zu essen zu jagen oder zum großen organisierten Abendessen zu gehen. Wir drei gehen also mit K. dorthin und setzen uns an einen großen Tisch mit Ks Kollegen, die ganz schnell mitteilen, dass sie natürlich auch mitgehen. Irgendwann kommt G. samt „PA“ rein und die beiden steuern einen kleinen Tisch seitlich an, wo sie alleine sitzen. Wir drei schauen uns an, wir finden das seltsam, aber… Baustelle und so. Er wird schon was sagen, wenn es ihm nicht passt, oder?
K. fragt dann einmal laut rum, wer mitgehen möchte – Neben seinen Kollegen meldet sich ein weiteres Paar und – G. Dessen „PA“ umgehend „nein“ zu gestikulieren scheint. Immer noch nicht unser Problem, wir nicken rüber, kurzes mentales Abgehen von Punkten wie: Brauchen wir ein zusätzliches Auto, weil im Kombi nachher nicht mehr genug Platz ist, wo stellen wir das Auto zum Einsteigen hin, K. schreib mal schnell ‘ne SMS an den Basti und stell sicher, dass die Kneipe zugänglich ist, wenn nein, bitte andere Kneipe, danke.
Essen neigt sich dem Ende, es sitzen eigentlich alle nur noch da und quatschen, wir beschließen: Es geht jetzt jeder nochmal aufs Klo und dann geht’s los. Also so… in 20 Minuten vielleicht. G. sitzt zu diesem Zeitpunkt alleine an seinem Tisch. F. geht rüber, um Bescheid zu geben, 20 Min. Kommt zurück und sagte er meinte jetzt er will doch nicht, aber es käme ihm seltsam vor und kann mal bitte einer von uns nochmal anfragen (Das ganze findet hier auf Englisch statt. F. spricht ausreichend gut Englisch aber halt nicht muttersprachlich und ist sich seiner Sprachkünste nicht immer so sicher.)
Nun geht also aus Gründen DLE rüber, fragt nochmal nach, halb vermutend, dass G. einfach fertig ist nach dem Tag – ist er nicht, eher erheitert darüber, wie fertig manche der jungen Teilnehmer (G. ist einer der ältesten Menschen im Raum) nach dem bisschen Event sind. DLE fragt, ob er etwa keine Lust hätte, mit uns „Jungen“ auszugehen. G. meint nee, natürlich nicht. DLE verspricht, einfach die Schnauze zu halten und zu gehen, wenn G. das möchte, merkt aber an, dass er nicht ganz versteht, warum er sich umentschieden hat, wenn ihn die Gesellschaft nicht stört und er nicht müde ist. G. meint etwas augenrollend, es sei doch normalerweise so üblich, dass er gefragt wird, ob er mitwill, aber quasi unter der Hand schon vorausgesetzt wird, dass er anständigerweise „Nein“ sagt, sodass niemand das Gefühl haben muss ihn auszuschließen und er trotzdem nicht im Weg ist, und dass er ja vorhin schon gar nicht hätte „Ja“ sagen sollen.
DLE winkt uns rüber, wiederholt das kurz. Wir stellen fest, dass wir, wenn wir Free-for-All einladen, auch genau das meinen, und G. absolut willkommen ist, wenn er möchte. Ich merke eventuell etwas ungeduldig an, dass ich eigentlich nur wissen will, ob ich das Auto jetzt VORS Haus fahre (schnell einsteigen) oder hinters Haus (in Ruhe einsteigen).
G. schaut uns nacheinander mit so einem „Ihr wolltet das nicht anders, jetzt schaut zu, wie ihr da wieder rauskommt“ Blick an und meint „Hinters Haus.“
Die Uhrzeit ist gerade irgendwo zwischen 19:30 und 20:00.
Alle packen zusammen, K. und ich gehen Autos holen.
Derweil kommt drinnen Gs „PA“ wieder, bekommt mit, dass es „Planänderungen“ gegeben hat, und legt los: Dass das auf gar keinen Fall ginge, was er sich da einbildet (und wir uns) und überhaupt, wenn er mit dem Essen fertig sei, sie ihn dann jetzt ins Bett brächte. (Das ganze lautstark vor allen noch Anwesenden).
Äh.
Hier schickt DLE dann F. raus, K. und mir Bescheid geben, es dauert etwas. F. kennt mich allerdings gut genug, um zu sagen, dass ich eventuell wieder reinkommen möchte. K. kommt mit. Wir also alle wieder drin, während DLE und ein Tom maximal im Weg stehen, und G. versucht, mit seiner „PA“ zu diskutieren, die ihm aber ständig das Wort abschneidet (Sprechen normalerweise kein großes Thema, aber schnell ist schwer…).
Und dann schaut die MICH an, weil ich anscheinend aus allen Anwesenden am ehesten so aussehe, als könnte ich auf ihrer Seite sein (oder evtl. auch, weil ich grad die einzige Person in der Runde bin, die sie für sich als „Weiblich“ identifiziert hätte) und sagt: „Sag du mal was!“
Ich habe zu der Situation genau eines zu sagen, und das gerne sehr laut und deutlich: Einen erwachsenen Menschen gegen seinen Willen um 20 Uhr ins Bett zu schicken, weil man das gerade so möchte und kann, geht ja mal gar nicht.
DLE merkt grinsend an, dass er sich freut mich jetzt doch mal richtig sauer gesehen zu haben-.
Ich teile ihm freundlich mit, dass wir uns noch am Anfang der Tonleiter befinden.
„PA“ meint, sie will aber ihren wohlverdienten Feierabend.
K. motzt sie an, dann soll sie halt Feierabend machen, sie sei eh weder eingeladen noch notwendig.
G. weist drauf hin, dass sie leider durchaus notwendig ist, weil er mit etlichen Dingen Hilfe braucht und nachher auch nicht so wirklich alleine ins Bett kommt.
Kurzes gegenseitiges Anschauen, Konsens: Es sind hier genug einspringfähige Personen, wenn du dir nicht von jemand Wildfremdem helfen lassen möchtest, ist das verständlich, falls doch, hättest du Auswahl.
G. merkt an, dass der Großteil hier für ihn deutlich weniger wildfremd ist als die Dame, denn SEINE übliche Begleitung sei ausgefallen und die „PA“ hier dann vom Veranstalter gestellt worden, wohl über einen örtlichen Pflegedienst angeheuert (was dann auch erklärt, warum das im Event alles nicht so recht hatte passen wollen… die hatte von unserem Job keine Ahnung und auf den ihren nur bedingt Lust). Er dann so: Schlimmer kann das mit euch auch nicht werden, versuchen wir das.
„PA“ legt nochmal los, dass sie hier Verantwortung hat usw. und auf keinen Fall nicht-mitgehen könne und—und—und—
Darauf bekam sie dann einmal genau die Ansage, die ich *unseren* Mitarbeitern in so einem Moment gemacht hätte (nur, dass ich unsere dafür mit vor die Tür nehmen würde).
K. dann noch hinterhergeschoben: Komm mit oder bleib da, aber *wir* gehen jetzt.
=> Fast Forward, Pub.
Der Basti wartet schon auf uns, bekommt kurz erklärt, warum wir so lang gebraucht haben; „PA“ ist mitgekommen und tut größtenteils nichts außer im Weg zu sein.
Versuch, zu bestellen, Runde 1: Kellner sehr offenbar nicht glücklich darüber, da einen sichtbar behinderten Gast bedienen zu müssen, das unsägliche „What’s he going to have“ endet mit einem neuen Kellner, der sich in der Lage sieht, Bestellungen ordentlich aufzunehmen. (Mein Geduldsfaden bei solchen Dingen ist eh kurz, und an dem Abend war er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vorhanden). G. bestellt sich wie der Großteil der anderen ein Glas Whiskey. „PA“ fährt sofort dazwischen, dass das nicht ginge und er auf keinen Fall Alkohol bekommt. Laut DLE und F. war mein Gesichtsausdruck in dem Moment sehr deutlich. Ich schaue G. an, er wedelt mit der Hand und meint: „Go on.“
Ich frage die „PA“, ob sie vielleicht mal kurz mit vor die Tür gehen möchte.
Sie braust auf, dass sie das auf keinen Fall macht, und ob ich wohl nicht möchte, dass die anderen mitbekommen, was ich sage.
Na, was ICH sage, wissen die eh (oder können es sich denken), es war eigentlich eine letzte Freundlichkeit ihr gegenüber, nicht vor versammelter Mannschaft runtergeputzt zu werden. Aber BITTE. [Vortrag zu Selbstbestimmung und dazu, wer das Recht hat, Entscheidungen für mündige Menschen zu treffen, und wer NICHT, und dass sie zwar IM Event evtl. Veranstalterregeln auch gegen ihre zu betreuende Person durchsetzen darf, aber hier jetzt gerade nicht im Event ist und damit für G. gerade ausschließlich das gilt, was G. möchte, und sie entweder bei der Ausführung zur Hand gehen kann oder aus dem Weg. Eventuell bekam der arme Kellner, der da immer noch rumstand, auch noch ‘nen nachdrücklichen Hinweis darauf ab, dass serviert wird, was bestellt ist. Eventuell unnötig. Sorry. Und ja, das ist vollkommen unabhängig davon ob *ich* meine, dass Alkohol notwendig ist oder nicht.] (Für G. war das der letzte Event-Tag, d.h. Risiko, dass er das am Folgetag noch hätte ausbaden müssen, bestand nicht. Wäre das anders gewesen, hätte man leider in der Tat drüber nachdenken müssen, das etwas diplomatischer zu handhaben.)
Sie rauschte dann türenknallend ab und stand eine gute halbe Stunde später mit einem aus der Orga wieder da, der meinte, MIR eine Ansage machen zu können… und im Gegenzug eine detaillierte Aufschlüsselung vorgehalten bekam, was genau das lief, ob er wirklich sagen möchte, es sei OK, einen erwachsenen Menschen gegen dessen Wunsch um 8 ins Bett zu schicken oder ihm das Getränk vorschreiben zu wollen, etc. (G. wies nochmal drauf hin, dass er schon bestätigt hätte, dass sie gerne Feierabend machen darf und in keiner Weise verpflichtet war, hier mit abzuhängen). Darauf nahm Orga-Mensch die Dame nochmal mit vor die Tür. Sie kam tatsächlich danach wieder rein, setzte sich aber an einen anderen Tisch und verbrachte die nächsten Stunden damit, uns finster anzuschauen. *seufz*.
Und das, was mich an diesem ganzen Abend am meisten wurmt ist, dass G. irgendwann meinte, das sei nun seit bestimmt 10 Jahren das erste Mal, dass er einfach nur ohne da aus Arbeitsgründen sein zu müssen, in einer Kneipe sitzt und sich unterhält und Spaß hat. (Das ganze ging noch ein bisschen weiter, aber soweit das, was ich zu erzählen versprochen hatte).