Technik im 18. Jahrhundert. Woran denkt ihr? Welche Ideen, welche Vorstellungen bringt diese Kombination? Was gab’s damals schon? Die Dampfmaschine vielleicht? Oder war das später? (Es gab einen Vorläufer seit Ende des 17. Jahrhunderts; Watt patentierte das, was wir als Dampfmaschine kennen, 1781). Uhren… Uhren gab es, richtig? So Taschenuhren zum Aufziehen.

Die industrielle Revolution rechnet man in Europa ab ca. 1760. Man denkt an Dreck, an Lärm, an Kinderarbeit, ach, war Oliver Twist nicht erst hundert Jahre später?

Die Erfinder des 18. Jahrhunderts brachten aber auch ganz andere Dinge hervor… Dinge, die ganz ohne Dreck auskommen.

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Jean-Joseph Merlin (1735 – 1803); Gemälde von Thomas Gainsborough

Jean-Joseph Merlin aus Huy (das ist in Belgien), Jahrgang 1735, bastelte sich Mitte des Jahrhunderts den Vorläufer der Inline-Skates. Es heißt, es sei damit dann während eines Balls am englischen Könighaus postwendendin einen Spiegel gefahren. Man fragt sich, was die Queen heute sagen würde, wenn jemand mit Rollschuhen an den Füßen zum Ball käme.

Er erfand natürlich auch noch andere nützliche Dinge (oder: andere, nützliche, Dinge; darüber, ob nun Inliner ohne Bremsmöglichkeit nützlich sind, lässt sich streiten…) Eigentlich war er ja von Beruf Uhrmacher, und so verstand er sich auf den Umgang mit Zahnrädern, Übersetzungen, Umlenken von Kräften. Er verbesserte Uhren und Musikinstrumente, Rollstühle und Waagen.

1773 konstruierte er ein ganz besonderes Stück. Im Gegensatz zu der obigen Liste dient es keinem praktischen Zweck. Es ist nur hübsch anzusehen, und gibt einen Einblick darin, was man mit ein paar aufziehbaren Uhrwerken alles anstellen kann, wenn man die passende Ideen hat.

Der Silver Swan ist heute im Bowes Museum in England ausgestellt und wird dort einmal täglich vorgeführt. Nur einmal am Tag, denn die Mechanik läuft nach einem Vierteljahrtausend noch immer einwandfrei, und das soll auch so bleiben.

Angetrieben durch drei Aufziehurwerke bewegt sich der Schwan (Maßstab 1:1), beginnt, sich zu putzen, entdeckt im gläsernen See vor sich einen Fisch, den er sich schnappt und verschlingt. 40 Sekunden dauert der Ablauf, begleitet von einer Spieluhr.

Sehenswert ist er auf jeden Fall, und da die Wenigsten jetzt schnell nach Nordengland fahren können um ihn sich anzuschauen, bringe ich euch hier ein Vorführungsvideo mit. Die Übersetzung des Texts aus dem Video findet ihr drunter.

 

Der Text aus dem Video:

Merlins Meisterstück war ein fantastischer Schwan, komplett aus Silber hergestellt.

Er ist einer der Automaten seines Zeitalters, denen wir die größte Ehrfurcht entgegenbringen. Er entstand aus genialer Uhrmacherkunst in Kombination mit geradezu visionärer künstlerischer Ausschmückung. Ein Uhrwerk treibt diese einfachen Glaszylinder an, womit Merlin es schaffte, den außerordentlich komplexen Eindruck von fließendem Wasser zu erzeugen.
Das Licht bricht sich an der gewundenen und unregelmäßigen Oberfläche der Stangen und bildet so die unverkennbare Spiegelung von Wasser an der Unterseite des Schwans.
Die handwerkliche und künstlerische Qualität dieses Stücks ist atemberaubend.

[Vorführung des Schwans]

Es ist ein mechanisches Wunder.

Wenn wir uns ansehen, wie der Schwan seine Bewegungen so präzise ausführt – es ist ein Meisterwerk, in dem Uhrmacherkunst mit den Fähigkeiten eines Juweliermeisters verbunden sind. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, wie das Londoner Publikum in den 1770ern auf dieses Gerät reagiert hat. Endlich war Merlin der Star des gesellschaftlichen Lebens, der er immer hatte sein wollen. Die Leute kamen in Scharen, um dieses Gerät zu sehen und sich von diesem Triumph aus Schönheit und technischem Geschick verzaubern zu lassen.

 

19 Gedanken zu “

    1. Wenn ich das richtig sehe, steckt der Fisch durchweg im Schnabel und wird nur hin und her geschoben bzw. dreht sich dann um einen Stift.
      Ich finde das ganze Teil total faszinierend, was man „nur“ mit Zahnrädern und einer Kurbel, ganz ohne Kabel, Platinen, etc. machen kann.

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      1. Und wenn ich mir dann überlege, dass das Ding nach 250 Jahren noch so einwandfrei läuft! Mein Wäschetrockner meldet im zarten Alter von vier Jahren bereits Pläne an, demnächst in Pension zu wollen.

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      2. Sieht man doch auch bei alten Taschenuhren, die waren fast unkaputtbar und sahen zudem auch noch schön aus.
        Mein Trockner ist schon sicher 20 Jahre alt 🙂

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      3. Gib nur an mit deinem unkaputtbaren Trockner 😉 Mach mich nur neidisch drauf. Pfff.
        Aber oh ja, und dann haben Taschenuhren auch noch den Vorteil, dass sie nicht ständig am Handgelenk stören!

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      4. Tja hättest du den Trockner mal aus letzter Generation übernommen, wäre der heute noch gut 🙂 Meiner ist noch von meiner Schwiegermutter, der einzige Nachteil ist, man kann keine Temperaturen einstellen, heißt, da darf lange nicht alles rein, viel zu heiss.
        NORMALERWEISE trage ich keine Uhr, jetzt habe ich so ein Plastik/Gummidingsbums Kilometerzähler, da ist eine Uhr drauf.

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      5. Ich hab nen Kilometerzähler aber der geht an den Gürtel/in die Hosentasche.
        *lach*. Ich glaub meine Schwiegermutter braucht ihren Trockner noch. Ich hab ja bis vor wenigen Jahren ganz ohne Trockner gelebt, nur mit Wäsche aufhängen…

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      6. Ja ich habe auch noch so eine App, ohne Band, aber die muss ich immer starten, das vergesse ich dann schon mal.
        Ohne Trockner käme ich nicht klar, im Winter fehlt mir da der Platz, habe keinen Zolder und überall so Ständer das geht gar nicht.

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      7. Sehr praktisch ist er schon! Aber wenn man nie einen hatte, vermisst man ihn auch weniger… ich möchte jetzt auch nicht zu ohne zurück. Obwohl ich zumindest in Bayern Platz zum Aufhängen hätte.

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      8. Besonders gern hab ich wenn ich einen Text – Google Translate aus dem Chinesischen ins Englische – dann sinnvoll ins Deutsche übersetzen soll. Da denk ich mir dann nur… ok… ich lach morgen.

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      9. Nein. Dann wärs ja einfach und ich könnte sagen „Schickt mir den Ausgangstext.“ Wenn ich nur eine schlechte Übersetzung bekomme und nicht mal den AT erraten kann darüber… dann stehe ich u.U. auch ganz schön blöd da mit solchen Texten.
        Chinesisch traue ich mich nicht lernen zu versuchen, da ich die Tonhöhenunterschiede nicht gut wahrnehme und ich das deswegen für ein ziemlich sinnfreies Unterfangen halte.

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  1. Der Silberschwan und auch das ganze wässrige „Bühnenbild“ sind ganz zauberhaft!
    Wenn ein uhrmacherischer Erfinder MERLIN heißt, könnte doch durchaus ein wenig Zauberei mit im Spiel sein … 😉
    Herzlichen DANK für die Präsentation dieses märchenhaften Spielzeugs und den informativen Text dazu!

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