Es war irgendwann in den 1990ern. Ich hatte ein neues Spiel auf dem PC. Beim Titel bin ich mir nicht mehr sicher. Könnte Stonekeep gewesen sein. Irgendein Dungeonspiel in jedem Fall. Das war noch eine Zeit in der Spiele in der Regel keine Sprachausgabe hatten und die Hintergrundmusik eher blechern klang.

Umso größer die Überraschung, beim Öffnen einer Tür aus dem Lautsprecher angequiekt zu werden.

„Das mein Haus! Monster, du weg da!“

Huch.

Ich erst mal rückwärts wieder in den Gang, Tür zu, drüber nachdenken. Das war definitiv ein … Kobold? Goblin? Irgendsowas, ein Monster, das ich in dem Spiel hätte erlegen sollen, aber offensichtlich wohnt der hier.

Ich finde es ja immer noch recht witzig, dass mich dieses kleine Wesen immer deutlich mehr beschäftigt hat, als die hundert anderen, die ich vorher und nachher erschlagen habe. Der wohnte da. Für den war ich das Monster, und ich wollte/musste durch seine Wohnung latschen. Und weil er das verständlicherweise verhindern wollte, musste ich ihn dazu vorher noch umbringen. Hab ich auch gemacht, im Spiel. Sagt vielleicht auch was über mich aus.

Sobald ich es mir leisten konnte, kaufte ich mir ein Haus. So mag ich das. Keine Nachbarn über oder unter mir, die mich nerven, niemanden den ich nerve, keinen, den man im Treppenhaus grüßen muss, und ich habe bessere Kontrolle über meine Umwelt.

Die nächsten Jahre wurde renoviert, umgebaut, geändert, angepasst, der größte Teil davon in Handarbeit, und so wurde aus dem Haus, das ich kaufte mit vielen Stunden Arbeit mein Haus.

Ich habe grundsätzlich nichts gegen Besuch. Ich lasse sogar die Zeugen Jehovas rein, denn ich diskutiere sehr gerne über Themen, die mich interessieren. Ich habe einen Bereich in meinem Haus, den ich als „öffentlich“ betrachte, in den jeder Gast ohne zu Fragen kommen darf. Soweit okay.

Es fängt dann an, wenn der Gast erstmalig das Bad aufsuchen muss.

„Vorsicht mit dem warmen Wasser, das ist bei mir heißer.“

Das vergesse ich immerhin nie.

Was ich erwarte: Die Person passt beim Aufdrehen auf.

Was ich mit viel Glück bekomme: „Warum?“

Was ich meistens bekomme: Gute Ratschläge, wie ich das richten könnte, Hinweise darauf, dass das gefährlich ist, die dringende Aufforderung doch morgen früh gleich den Klempner zu rufen, oder, bei Weitem am Schlimmsten: „Soll ich mir das mal anschauen?“

Nein. Nein, sollst du nicht. Ich hasse lauwarmes Wasser. In meinem Bad steht eine extrem große Wanne, die ich auch gerne und viel nutze, und der Heißwassertank im Keller fasst deutlich weniger Wasser als die Wanne. Sprich: Will ich bei 45°C baden (ich will) muss das heiße Wasser mit mehr als 45°C (Standardtemperatur) aus meiner Leitung kommen, weil ich sonst meine Wanne nicht voll bekomme. Und deswegen hab‘ ich den Thermostat am Boiler raufgedreht. So, dass ich eine Wannenfüllung mit 45° am Stück schaffe. Nebenbei: „Weil der Thermostat am Boiler höher steht“ ist in der Regel nicht die gewünschte Antwort auf „Warum?“.

In jedem Fall war die Warnung bezüglich der Temperatur kein Hilferuf an den offenbar überlebensfähigeren und besser informierten Gast, das „Problem“ für mich zu lösen, sondern lediglich eine Warnung, da ich nicht möchte, dass derselbe Gast sich unversehens 65° warmes Wasser über die Hände laufen lässt. Dann geht das Geschrei nämlich richtig los.

Meine Leitungen. Meine Wassertemperatur. Wenn dir, lieber Gast, das nicht passt, dann wasch‘ dir die Hände woanders.

Das ist schließlich mein Haus.

Der Gast ist dann im Bad, denkt an die Wassertemperatur, plötzlich quietscht es hinter der Badezimmertür, und mir fällt ein… ach ja… da war ja noch was.

Gast hat soeben herausgefunden dass nicht nur die Wassertemperatur höher ist als normal, sondern auch der Druck auf der Leitung. Ich kann es nämlich nicht ausstehen, wenn mir das Wasser in der Dusche so unentschlossen über den Rücken plätschert. Die Massagestrahleinstellung des Duschkopfs hilft nur bedingt. Glücklicherweise gibt es einstellbare Pumpen für die Wasserleitungen. Meine ist eingestellt. Nur halt nicht auf das, was in den meisten Haushalten aus der Leitung kommt.

Dreht man nun am Waschbecken voll auf, spritzt einer der Strahl in Form eines Querschlägers an. Man kann ja auch langsam aufdrehen.

Da musst du mal den Klempner holen, das kann man so nicht lassen, das macht die Leitungen kaputt, oder soll ich mir das mal anschauen?!

Nein. Sollst du nicht. Du sollst gerade nur zwei Dinge tun: Deine Pfoten von meinen Wasserleitungen lassen, und dich jedes weiteren Kommentars enthalten. Die Leitungen halten das aus. Das weiß ich, weil ich sie verlegt habe. Weil sie speziell mit Blick auf den erhöhten Druck abgenommen wurden. Ich weiß, wo meine Schweißstellen sind, ich weiß, wie ich im Notfall rankäme, sollte wirklich mal was sein, und wäre eine Reparatur notwendig, würde ich dazu sicher keinen Klempner bemühen.

Und mal so ganz nebenbei: Das mein Haus.

„Ich dreh‘ mal die Heizung hoch.“

Kannste machen, wird dir aber nicht helfen.

Also jetzt mal ganz davon abgesehen, dass ich nicht weiß, woher du die Frechheit nimmst. Was ist das bitte für ein Benehmen? Ich fläze mich schließlich auch nicht in anderer Leute Wohnzimmer und mache erst mal die Heizung aus und das Fenster auf, oder?

Ich friere nicht, überhitze aber schnell. Heißes Wasser mag ich, aber bei 18 °C Lufttemperatur ist Schluss. Der Lieblingsmann zuckt mit den Schultern und zieht sich ’nen Pulli an.

Meine Heizkörper sind thermostatgeregelt, und an die Regelung kommt der freundliche Gast nicht ran.

„Deine Heizung wird nicht richtig warm, muss man bestimmt mal Entlüften. Soll ich mir das mal anschauen?“

Nein. Mal abgesehen davon, dass dich keiner eingeladen hat, mit meinen Heizkörpern zu spielen, hast du dich gerade schon dadurch disqualifiziert, dass du die Sache mit dem Thermostat und der Einstellung offenbar nicht verstanden hast. Zieh dir was über, wenn dir kalt ist. Oder setz dich ins Vogelzimmer – auch ein Grund, warum meine gefiederten Mitbewohner ihr eigenes Zimmer haben: Die haben es gerne etwas wärmer als ich. Oder versuch‘ nur ruhig weiter am Heizkörper rumzustellen. Es wird dir nichts helfen.

Das nämlich mein Haus.

„Ooooh, dein Licht ist so grell! Du kannst da so angenehmere Lampen kaufen! Mit so weicherem Licht.“

Warum sollte ich? Hast du eine Ahnung, wie lang ich suchen musste, um das Kaltlicht zu finden, das jetzt installiert ist?

Ach ja, würde ich mich jetzt gerade nicht über dich ärgern, würde ich dir eventuell zeigen, dass es zu jedem Satz Kaltlicht-LEDs einen identisch ausgerichteten Satz Warmlicht-LEDs gibt, und dir den Trick verraten, mit dem man diese einschaltet. So werde ich das allerdings gerade bleiben lassen, und du wirst mit meinem Licht zurechtkommen müssen.

Mein Haus.

Am meisten gefressen habe ich dann noch die Herrschaften, die meinen, mein Dekorationsverhalten verbessern zu müssen, und mal anfangen lustig umzuräumen – oder mir hilfreich irgendwelches Dekomaterial schenken, da ich ja so einseitig dekoriert habe zuhause. (Das sind dann die, die beleidigt sind, wenn sie ihre Geschenk beim nächsten Besuch nicht mehr vorfinden. Weil es weitergegeben wurde, an  jemanden dem so was gefällt, zum Beispiel. Ich habe keinen Platz, um Mist aufzuheben, um den ich nicht gebeten habe und der mir nicht ins Konzept passt.)

Außerdem:
Erstens heißt das nicht „einseitig“ sondern „thematisch passend“, und zweitens … geht das außer mir eventuell noch den Lieblingsmann was an (der die thematisch passende Deko aktiv dadurch unterstützt, bei jeder Gelegenheit weitere dazu passende Gegenstände anzuschleppen, sodass sich das „Problem“ seit seinem Erscheinen keineswegs halbiert, sondern bestenfalls verdoppelt hat), und dann sehr lange niemanden.

Was ich aber gar nicht verstehe ist, dass die obigen Verhaltensweisen offenbar als normal empfunden werden. Für mich sind diese Einmischungen und Anmaßungen, die mir bislang nur durch NTs präsentiert wurden, deutlich übergriffiger als die direkten oder unverblümten „typisch autistischen“ Kommentare, für die Unsereiner gerne mal gerügt wird.

Warum ist die Grundannahme hier bitte nicht die, dass Dinge deswegen so sind, weil ich sie so haben will?

Vielleicht war es ja doch gar nicht so komisch, dass ich den kleinen Kobold damals erschlagen habe. Damit, sich anderer Leute Wohnraum zueigen zu machen, scheint kaum jemand Probleme zu haben.

Für alle, die in meiner Wohnung gerne ungefragt Hand anlegen wollen, gibt es für mich aber nur eines zu sagen:

Das mein Haus.

Monster du weg da!

12 Gedanken zu “Monster du weg da!

    1. Naja, technisch habe ich schon Nachbarn – einen rechts und einen links -, aber die können mich nicht nerven. Mein Haus ist Baujahr ca. 1370 und war mal Teil einer Verteidigungsanlage. Außenwände ab 2 m Gneiss und Granit isolieren schon wahnsinnig gut, nicht nur gegen Sommerhitze, sondern auch gegen Nachbarn.

      In Belgien haben wir leider nur eine Wohnung in einem Mehrparteiengebäude, und es zerrt für mich schon an den Nerven, auch wenn wir ganz oben wohnen und sich damit sowohl der Treppenhausverkehr als auch die Geräuschsituation einigermaßen in Grenzen hält. Immobiliensituation in und um Brüssel leider nicht ganz das, was uns gefallen würde (weniger preislich, sondern eher qualitativ), und allzuweit wollen wir vom aktuellen Wohnort schon aus praktischen Überlegungen nicht weg… Ganz ohne Ärgern über die Nachbarn komme ich also leider auch nicht aus.

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  1. Ich habe mich gerade köstlich amüsiert, frage nicht warum.
    Meine Wasserhähne sind auch etwas schwierig zu bedienen, denn heiß ist kalt und kalt ist heiß, kann zu Komplikationen kommen.
    Zum Glück habe ich aber weder Nachbarn, noch empfange ich Gäste.

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    1. Na, das würde ich jetzt aber schon gerne wissen.

      Gäste sind hier im großen Haus kein Problem für mich, solange sie die als privat „markierten“ Räume (alles, wo die Tür zu ist) in Ruhe lassen. Für Übernachtungsgäste ist ein Miniapartment da, dann ist mir im Normalfall auch keiner im Weg.
      In der Wohnung in Belgien gehen als Gäste maximal die Schwiegereltern, und das nur, weil die Alternative wäre, sie besuchen zu müssen. Das finde ich doch noch einen Tick unangenehmer. Dann lieber Heimvorteil.

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      1. Kann ich verstehen, woanders hin müssen ist noch blöder, aber meine Wohnung ist so irgendwie meine Festung, ist ja nicht nur, daß Leute hier rum sitzen würden, sie reden ja auch noch und da bin ich ziemlich schnell raus.

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      2. Ich rede gerne und viel, solange mich das Thema interessiert und ich was dazu zu sagen habe. Wenn das eine oder das andere nicht zutrifft… naja, Familienfeiern können dann sehr still werden.
        Meine Schwiegermutter redet allerdings nicht nur über Themen, die nur sie selbst interessieren, sondern auch noch fast ausschließlich auf Französisch, und das ist nicht gerade meine Lieblingssprache. Da kann ich vieles einfach durch Nichtverstehen umgehen. Und solange selbst mein Mann ob seiner Mutter genervt mit den Augen rollt weiß ich immerhin, dass es nicht nur an mir liegt. (Insbesondere bei den Sätzen „Hier liegen überall Bücher, ihr müsst dringend aussortieren.“ setzen bei uns Beiden grundsätzlich alle Französischkenntnisse aus.)

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      3. Mit den Themen das geht mir genauso und über meine Schwiegerfamilie kann ich nicht mal klagen, sind sehr nett und berücksichtigen das durchaus, auch, dass ich mich ausklinke, wenn sie über was anderes reden. Trotzdem sind Besucher einfach anstrengend… Deine Schwiegermutter kommt aus Belgien?

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      4. Ja, mein Mann ist Belgier. Der Rest seiner Familie findet es auch nicht so tragisch, wenn nicht ausgerechnet Französisch gesprochen wird, aber die Dame ist manchmal ein bisschen eigen. Es wäre nun nicht so, als könnte sie kein Flämisch, mein Schwiegervater kommt ja nun auch aus Flandern… Sie würde das nur niemals offiziell zugeben.

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  2. Ein sehr schöner Beitrag. Erinnert mich an den in meiner Wohnung oft von Gästen geäußerten Kommentar „Du wohnst ja in ’nem Kühlschrank!!“ Das entsetzte Gesicht dazu stelle man sich bitte vor. Und nein, ich wohne nicht im Kühlschrank, aber ich mag so 16 bis 18 Grad gerne. 20 Grad gehen auch noch, darüber wird es unschön für mich.

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